Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. kurzfristiger Verlegungsantrag ohne kurzfristigen Grund. rechtzeitige Beantragung der Vertagung mindestens zwei Tage vor Verhandlungstermin. zeitliche Möglichkeit für einen Antwortbrief des Gerichts. Verpflichtung zur telefonischen Nachfrage bei kurzfristigem Verlegungsantrag. Verhinderungsgrund. Zugehörigkeit zur COVID-19-Hochrisikogruppe kein erheblicher Grund. Ansteckung in öffentlichen Verkehrsmitteln im Risikobereich des Klägers. Beschränkung der Akteneinsicht auf Einsichtnahme in Räumen des Gerichts. Unzulässigkeit einer Untätigkeitsklage bei fehlendem Widerspruch. soziales Entschädigungsrecht. strafrechtliche Rehabilitierung. verwaltungsrechtliche Rehabilitierung. Häftlingshilfe. einheitliche Versorgung. keine Erhöhung der Versorgungsleistungen bei weiterer Anspruchsgrundlage
Orientierungssatz
1. Gründe für einen Verlegungsantrag, die nicht kurzfristig eingetreten sind, müssen so rechtzeitig angebracht werden, dass dem Gericht eine Beantwortung desselben per Briefpost noch möglich ist (hier verneint bei Verlegungsantrag per Telefax am Vortag des angesetzten Verhandlungstermins). Ansonsten ist das Gericht nicht zur förmlichen Beantwortung des Antrags verpflichtet, sondern der Kläger ist gehalten, sich per Telefon entsprechend zu informieren.
2. Der Hinweis allein, dass ein Kläger in Zeiten von Corona zur Hochrisikogruppe gehört (hier: eine 73-jährige Frau), belegt keinen erheblichen Grund für die Verhinderung der Teilnahme an einer Gerichtsverhandlung.
3. Die Schutzvorgaben und -empfehlungen des Robert-Koch Instituts in öffentlichen Verkehrsmitteln und auf dem Weg zum Gericht einzuhalten, obliegt dem Verantwortungsbereich des Klägers.
4. Das Recht auf Akteneinsicht nach § 120 Abs 1 SGG umfasst nicht das Recht, diese alleine und in einem frei zu wählenden Raum zu nehmen. Vielmehr genügt es, wenn die Akten in den Räumen des Gerichts eingesehen werden können.
7. Eine Untätigkeitsklage nach § 88 Abs 2 SGG ist mangels erhobenen Widerspruchs unzulässig, wenn kein vorheriges Schreiben und keine erhobene Klage als ein solcher ausgelegt werden kann.
6. Liegen für einen Schädigungstatbestand sowohl die Voraussetzungen des § 3 Abs 1 VwRehaG als auch die Voraussetzungen des § 21 Abs 1 StrRehaG und/oder des § 4 Abs 1 HHG vor, ist nur eine einheitliche Versorgung zu gewähren. Aus diesem Grund können Versorgungsleistungen nicht allein deshalb erhöht werden, weil noch die andere Anspruchsgrundlage erfüllt wird.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 1. Februar 2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungs- und Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt in der Hauptsache höhere Versorgungsleistungen, nämlich die Aufhebung eines Bescheids über die Ablehnung einer weiteren Versorgung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz im Beitrittsgebiet (StrRehaG) bzw. dem Häftlingshilfegesetz (HHG).
Die 1947 geborene Klägerin war nach einem Studium der Rechtspflege in der früheren Deutschen Demokratischen Republik (DDR) von September 1971 bis letztlich Februar 1973 als Richterassistentin am Kreisgericht S. berufstätig. In dieser Zeit wurde sie im November und Dezember 1972 gegen ihren Willen in der Psychiatrischen Klinik in L. untersucht. Nachdem sie im Jahre 1976 von Behörden der Volksrepublik Ungarn an der Grenze zu Österreich aufgegriffen und in die DDR zurücküberstellt worden war, wurde sie von November 1976 bis Oktober 1977 wöchentlich auf eine Dienststelle des früheren „Ministeriums für Staatsicherheit“ vorgeladen und jeweils verhört. Im Herbst 1977 siedelte sie in die Bundesrepublik Deutschland über. Hier war sie zeitweise in verschiedenen Dienststellen des Landes Baden-Württemberg - des Beklagten - und mehreren Gemeinden berufstätig. Einen Antrag der Klägerin auf Einstellung als Richterin lehnte der Beklagte ab, weil kein Zweites Staatsexamen vorlag. Er ernannte sie aber ab dem 1. Oktober 1994 zur Rechtsreferendarin. Nachdem die Klägerin zweimal vom Zweiten juristischen Staatsexamen zurückgetreten war, wurde sie mit Bescheid vom 13. Januar 1997 aus dem Vorbereitungsdienst entlassen. Eine Bewerbung als Amtsanwältin wurde im April 1998 abgelehnt. Mit Bescheid vom 14. August 1999 bewilligte ihr die Deutsche Rentenversicherung Bund eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Grund eines Leistungsfalls im Juni 1998. Bei ihr ist - auf Grund schädigungsabhängiger und schädigungsunabhängiger psychischer Erkrankungen - ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 anerkannt.
Nachdem bei der Klägerin bereits zuvor nach § 1 Abs. 1 Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG) die Rechtsstaatswidrigkeit ihrer Entlassung aus dem Richterdienst der DDR festgestellt worden war, erkannte der Beklagte mit Bescheid vom 23. Oktober 2002 psychoreaktive Stö...