Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Erstattungsstreit zwischen Leistungsträgern. Verjährung des Erstattungsanspruchs. keine Hemmung der Verjährung: Anforderung der Verwaltungsakte und Rechnungen. schriftliche Geltendmachung des Anspruchs gem § 111 SGB 10. Verwaltungsvereinbarung VV Generalauftrag Verletztengeld gem § 189 SGB 7. Entscheidung über die Leistungspflicht. Leistungen im Krankheitsfall als Sachleistung. Treu und Glauben
Leitsatz (amtlich)
Erstattungsansprüche, bei denen keine Entscheidung des als erstattungspflichtig in Anspruch genommenen Leistungsträgers zu ergehen braucht, verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind.
Für eine Hemmung der Verjährung genügt es bei einer Erstattungsforderung nicht, dass der in Anspruch genommene Leistungsträger bei dem die Erstattung geltend machenden Träger Verwaltungsakten und Rechnungen anfordert, um die Forderung prüfen zu können.
Orientierungssatz
1. Eine schriftliche Geltendmachung des Anspruchs nach § 111 SGB X reicht - anders als bei § 45 Abs 3 S 1 SGB I (Hemmung der Verjährung durch den Antrag auf eine Sozialleistung) - aber im Rahmen des § 113 SGB X für den Eintritt einer Hemmung der Verjährungsfrist nicht aus. Das gilt sowohl im Rahmen der entsprechenden Anwendung von § 203 BGB als auch von § 204 BGB (Klageerhebung und andere Maßnahmen der Rechtsverfolgung). Das Gesetz enthält eine dem § 45 SGB I entsprechende Regelung nicht, obwohl im Anschluss an die Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs nicht selten Meinungsverschiedenheiten über die Leistungszuständigkeit als anspruchsbegründendem Umstand iS des § 203 BGB auftreten, die erst durch weitere Ermittlungen in medizinischer Hinsicht zu klären sind. Droht deswegen Verjährung, muss der erstattungsberechtigte Leistungsträger daher einen Verzicht des erstattungspflichtigen Leistungsträgers auf den Verjährungseinwand herbeiführen, oder, falls dies verweigert werden sollte, rechtzeitig verjährungshemmende Maßnahmen ergreifen (vgl LSG Stuttgart vom 28.9.2011 - L 5 KR 2152/10, Rn 70, juris).
2. Die Verwaltungsvereinbarung über die generelle Beauftragung der Krankenkassen durch die Unfallversicherungsträger zu Berechnung und Auszahlung des Verletztengeldes nach § 189 SGB VII (VV Generalauftrag Verletztengeld) lässt die allgemeinen Regelungen der Verjährung unberührt. Sie enthält zudem keine Regelungen zur Durchführung des Erstattungsverfahrens gemäß §§ 102 ff SGB 10.
Normenkette
SGB X § 105 Abs. 1 S. 1, § 111 Abs. 1, § 113 Abs. 1, § 86; SGB I § 40; BGB § 203; SGB VII § 189
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 25.02.2016 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert wird endgültig auf 26.856,62 € festgelegt.
Tatbestand
Der klagende Unfallversicherungsträger macht gegen die beklagte Krankenkasse eine Erstattungsforderung in Höhe von 26.856,62 € geltend. Die Beklagte beruft sich auf Verjährung.
Der 1946 geborene G.-R. P. (Versicherter) ist bei der Beklagten krankenversichert. Er erlitt am 06.01.2009 einen Arbeitsunfall, als er auf dem Weg zur Arbeit ausrutschte und auf die rechte Schulter stürzte. Am 23.01.2009 erfolgte unter der Diagnose einer traumatischen Ruptur der Rotatorenmanschette rechts eine Arthroskopie des Schultergelenkes im Klinikum E. v. B., P.. Wegen einer zunehmenden Bewegungseinschränkung der Schulter und erheblicher Restbeschwerden erfolgte am 16.06.2009 eine weitere Schulterarthroskopie. Die behandelnden Ärzte vertraten gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 06.08.2009 die Auffassung, die aktuellen Behandlungsmaßnahmen seien auf den Unfall zurückzuführen. Die Klägerin trug die Behandlungskosten. Die Beklagte zahlte dem Versicherten im Auftrag der Klägerin Verletztengeld bis 27.09.2009, das von der Klägerin erstattet wurde.
Ein am 16.03.2010 erstelltes Zusammenhangsgutachten von Prof. Dr. E. kam zu dem Ergebnis, dass der Sturz des Versicherten auf die Schulter nicht zu der Rotatorenmanschettenruptur geführt habe. Vielmehr bestünden bei ihm deutliche degenerative Erscheinungen. Folge des Arbeitsunfalls sei eine Schulterprellung sowie die zeitlich begrenzte Verschlimmerung eines Vorschadens bis zum 06.04.2009. Darüber hinausgehende Behandlungszeiten seien nicht auf den Unfall zurückzuführen und gingen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung.
Mit Schreiben vom 03.05.2010 meldete die Klägerin bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch nach § 102 SGB X an. Bezüglich des Erstattungsanspruchs übersandte sie einen Ausdruck erbrachter Leistungen und teilte mit, bezüglich der Rückforderung komme sie noch auf die Beklagte zurück. Die Aufstellung enthielt Aufwendungen für Taxi und Mietwagen, Verletztengeld, Sozialversicherungsbeiträge, Behandlungskosten des Klinikums (05.05.2009), erweiterte ambulante Physiotherapie ua in Höhe von insgesamt 26.856,62 €.
Mit Schreiben vom 25.05.2010 teilte die Klägerin der Beklagten mit, durch den Rentenaussch...