Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Voraussetzung für Kostenerstattungsanspruch. Hilfsmittel. Anspruch auf LifeVest-System nur für die im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführten Indikationsbereiche
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 SGB V setzt voraus, dass der Versicherte wenigstens in Form einer sogenannten Sekundärhaftung einem wirksamen Kostenerstattungsanspruch ausgesetzt ist. Daran fehlt es, wenn die Kostenvereinbarung mit dem Leistungserbringer so ausgestaltet ist, dass der Versicherte in keinem Fall in Anspruch genommen werden kann.
2. Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung haben Anspruch auf Versorgung mit einem LifeVest-System nur für die im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführten Indikationsbereiche. Eine Versorgung für einen noch nicht im Hilfsmittelverzeichnis genannten Indikationsbereich stellt eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode dar.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 06.06.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Freistellung von den Mietkosten für einen tragbaren Kardioverter-Defibrillator LifeVest iHv 9.460,50 €.
Der 1947 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Vom 27.02. bis 05.03.2015 wurde er im H. Klinikum P. stationär behandelt wegen einer dilatativen Kardiomyopathie bei unauffälligen Koronararterien und einer hochgradig eingeschränkten linksventrikulären Funktion (Ejektionsfraktion ≪EF≫ 25%). Unter dem 05.03.2015 verordnete Dr. G. vom H. Klinikum P. dem Kläger eine LifeVest für die Dauer von drei Monaten. Eine Implantation eines implantierbaren Defibrillators (ICD) sei derzeit nicht indiziert. Die Versorgung des Klägers und Einweisung in die Nutzung erfolgte noch am 05.03.2015 durch die Z. C. GmbH. Am gleichen Tag unterschrieb der Kläger folgende “Patientenerklärung und Vereinbarung zur Kostenübernahme eines Kardioverter-Defibrillators (WCD) LifeVest„:
Ich wurde von der Z. C. GmbH darüber aufgeklärt, dass eine Versorgung mit LifeVest zu Lasten meiner Krankenkasse erst nach deren Genehmigung erfolgen kann. Diese Genehmigung wurde bereits beantragt, liegt aber noch nicht vor.
Da in meinem Fall die Gefahr eines plötzlichen Herzstillstands besteht und eine Versorgung mit der LifeVest medizinisch sinnvoll ist, wünsche ich eine sofortige Versorgung mit der LifeVest.
Für den Fall der Ablehnung der Kostenübernahme durch meine Krankenkasse verpflichte ich mich, die Mietkosten für die verordnete LifeVest selbst zu tragen. Die Kosten betragen pauschal € 3.153,50 brutto pro Versorgungsmonat. Ich bin bis zur abschließenden Klärung der Kostenübernahme durch meine Krankenkasse nicht zur Zahlung verpflichtet.
Sollte die Ablehnung der Kostenübernahme durch meinen Krankenkasse dagegen rechtmäßig erfolgt sein, verzichtet die Z. C. GmbH auf alle Zahlungsansprüche. Die endgültige Klärung der Rechtmäßigkeit obliegt im Zweifelsfall der Sozialgerichtsbarkeit.
Erst am 27.03.2015 ging der Antrag auf Versorgung zusammen mit einem Kostenvoranschlag über 9.460,50 €, der ärztlichen Verordnung und dem Entlassbericht des H. Klinikums P. bei der Beklagten ein. Diese informierte den Kläger mit Schreiben vom 30.03.2015, dass noch ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) erforderlich sei. Im Gutachten vom 02.04.2015 führte Dr. H. vom MDK aus, das LifeVest-System sei für erwachsene Patienten zugelassen, bei denen die Gefahr eines plötzlichen Herzstillstandes bestehe. Die LifeVest sei als Hilfsmittel und Brückentechnologie für Patienten entwickelt, bei denen die medizinische und leitliniengerechte Indikation für einen implantierbaren Defibrillator bestehe, bei denen jedoch aus medizinischen Gründen die Implantation aufgeschoben werden müsse. In dieser Indikation sei die LifeVest ein Hilfsmittel zur Krankenbehandlung. Im vorliegenden Fall handele es sich um eine prophylaktische Indikation für eine Defibrillatorbehandlung, für die keine validen Studien und gesicherten Erkenntnisse und auch keine Leitlinienempfehlungen für einen ICD vorlägen. Die vom Hersteller angestrebte Indikationsausweitung für die LifeVest auf das Feld der Primärprävention sei nicht evidenzgesichert. Hier beanspruche die LifeVest eine therapeutische Wirksamkeit iS eines neuen Behandlungsprinzips und unterliege der Sperrwirkung des in § 135 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) begründeten Leistungsverbots mit Erlaubnisvorbehalt. Insofern handele es sich nicht um eine Hilfsmittelversorgung, sondern eine außervertragliche neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Eine lebensbedrohliche Erkrankung liege nicht vor, ansonsten hätte der Kläger weiter überwacht werden müssen. Die Kardiologen im Krankenhaus hätten im Einzelfall die Möglichkeit einer Besserung der Herzinsuffizienz gesehen, so dass...