Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. keine Kostenübernahme der ambulanten Behandlung eines AEG-Karzinoms mit (Elektro-)Hyperthermie und Thymustherapie in Kombination mit (schulmedizinischer) Chemotherapie. Grundrechtsorientierte Erweiterung des Leistungskatalogs. Positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Wirksamkeitsnachweis. Pharmakotherapie. Laufende Geldleistung

 

Leitsatz (amtlich)

Die (ambulante) Behandlung des Adenokarzinoms des ösophagogastralen Übergangs (AEG-Karzinom) durch (Elektro-)Hyperthermie und Thymustherapie in Kombination mit (schulmedizinischer) Chemotherapie ist vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen - auch unter Berücksichtigung der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs - nicht umfasst. Die Krankenkassen müssen ihren Mitgliedern die für die Beschaffung dieser Behandlung als privatärztliche Leistung entstehenden Kosten daher nicht erstatten.

 

Normenkette

SGB V § 2 Abs. 1a, § 13 Abs. 3 S. 1, § 27 Abs. 1, § 34 Abs. 1 S. 1; SGB I § 56 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 22.02.2017; Aktenzeichen B 1 KR 73/16 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 17.07.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten einer Krebstherapie mit Hyperthermie, Vitamin-C-Infusionen und Thymuspräparaten.

Die Klägerin ist (neben ihrer Tochter) als Witwe (Gesamt-)Rechtsnachfolgerin (Erbin zu je ½ - Erbschein des Notariats S. vom 05.03.2013) des 1977 geborenen und am 30.01.2013 verstorbenen D. J. (im Folgenden: Versicherter). Sie hat zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten mit diesem in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Der Versicherte war bei der Sch. H. V. AG krankenversichert. Für die Leistungserbringung in Deutschland war die Beklagte zuständig.

Am 14.11.2011 diagnostizierte der Onkologe Dr. B. bei dem Versicherten ein fortgeschrittenes Adenokarzinom des ösophagogastralen Übergangs (AEG-Karzinom) mit Leber- und Lymphknotenmetastasen (Arztbrief vom 18.11.2011). Am 23.11.2011 stellte sich der Versicherte zur Einholung einer Zweitmeinung im Klinikum r. der I. in M. vor. Dort wurde ihm wegen Inoperabilität des Tumors eine Chemotherapie nach dem PLF-Schema (Leukovorin, 5-FU sowie Cisplatin) empfohlen (Arztbrief vom 24.11.2011). Die Chemotherapie wurde im Dezember 2011 im H.-B.-Klinikum, S., aufgenommen (Arztbrief vom 21.12.2011).

Mit Schreiben vom 03.12.2011 beantragte der Versicherte die Übernahme der Kosten einer Hyperthermie-Behandlung. Da bei ihm wegen des fortgeschrittenen Stadiums der Krebserkrankung Aussicht auf Heilung nicht bestehe, habe ihm sein behandelnder Hausarzt Dr. Dr. R. die Durchführung einer Hyperthermie-Behandlung begleitend zur (schulmedizinischen) Chemotherapie angeraten. Dadurch sollten seine Beschwerden gelindert und sein Wohlbefinden solle aufrechterhalten werden. Dr. Dr. R. halte es auch für möglich, das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen oder zumindest für einige Zeit aufzuhalten. Zur Stärkung des Immunsystems solle zusätzlich eine Thymus- und eine Misteltherapie durchgeführt werden.

Am 06.12.2011 nahm der Versicherte die ambulante Hyperthermie-Behandlung bei Dr. Dr. R. auf. Die Hyperthermie-Anwendung wurde vom 01.02.2012 bis 10.02.2012 und vom 03.07.2012 bis 11.07.2012 stationär in der B.-Klinik, Bad B., und im Übrigen ambulant in der F., F., und bei Dr. Dr. R. fortgeführt. In der F. ist der Versicherte darüber aufgeklärt worden, dass die lokoregionäre Tiefenhyperthermie als experimentelle Therapie von der Leistungspflicht der Krankenkassen nicht umfasst ist; ein entsprechendes Aufklärungsformular unterzeichnete der Versicherte am 03.04.2012. Die Hyperthermie-Behandlung wurde bis zum August 2012 durchgeführt. Bereits am 18.11.2011 hatte der Versicherte bei Dr. Dr. R. die (zusätzliche) Behandlung mit Thymuspräparaten aufgenommen. Ab 01.06.2012 wurden ihm von Dr. Dr. R. außerdem Vitamin-C-Infusionen verabreicht.

Dr. Dr. R. und Dr. H., F., stellten dem Versicherten für die als privatärztliche Leistungen erbrachte Hyperthermie-Behandlung, die Behandlung mit Thymuspräparaten und mit Vitamin-C- bzw. Seleninfusionen von November 2011 bis September 2012 Kosten von insgesamt 4.963,75 € bzw. 2.925,00 € und 220,14 € (Gesamtbetrag 8.108,89 €) in Rechnung (Rechnungen vom 27.12.2011, 03.04.2012, 09.05.2012, 05.06.2012, 02.07.2012, 13.08.2012 und 27.09.2012). Die Rechnungen sind bezahlt worden.

Mit Schreiben vom 22.12.2011 forderte die Beklagte den Versicherten auf, ihr weitere Informationen zur Hyperthermie-Behandlung von seinem behandelnden Arzt zukommen zu lassen.

Mit Bescheid vom 22.12.2011, der keine Rechtsmittelbelehrung enthielt, lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für die Thymus-Therapie ab. Diese gehöre nicht zum Leistungskatalog der Krankenkassen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) habe die Thymustherapie noch nicht bewertet.

Die Beklagte befragte den Medizinischen D...

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