Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. haftungsbegründende Kausalität. Theorie der wesentlichen Bedingung. Anlageleiden. psychische Störung
Leitsatz (amtlich)
Ein wesentlicher unfallbedingter Zusammenhang eines psychischen Leidens (hier: Anpassungsstörung) liegt nicht schon dann vor, wenn in der Persönlichkeitsstruktur des Versicherten angelegte Eigenschaften (hier: niedrige Frustrationstoleranz, Aggressionsbereitschaft) durch das Unfallereignis, die physischen Unfallfolgen oder durch die Unfallabwicklung des Unfallversicherungsträgers stimuliert wurden. Maßstab der wertenden Beurteilung ist, dass nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand aus objektiver Sicht ein Zusammenhang herzustellen ist; allein die subjektive Sicht des Versicherten reicht nicht aus.
Tenor
Die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 09. Februar 2010 werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein Arbeitsunfall des Klägers vom 17.04.2002 und als Unfallfolgen ein Teilabriss der Bizepssehne rechts und eine Anpassungsstörung festzustellen sind.
Mit Durchgangsarztbericht von Dr. B. vom 16.05.2002 wurde der Beklagten eine Teilruptur der distalen Bizepssehne rechts als Arbeitsunfall des Klägers angezeigt. Danach habe sich der Kläger am 17.04.2002 während seiner Tätigkeit als Lagerarbeiter den Arm verletzt, als er ruckartig einen schweren Gegenstand habe anheben wollen. Im Unfallfragebogen gab der Kläger unter dem 06.06.2002 an, der Unfall habe sich am 13.03.2002 ereignet beim Versuch, schwere Blechteile, die sich in der Palette verkeilt hätten, herauszuheben. In der Unfallmeldung des Arbeitgebers vom 02.07.2002 ist als Unfallzeitpunkt der 17.04.2002 genannt und wurden Ausfallzeiten verneint. Die Beklagte gewährte zunächst Heilbehandlung. Wegen persistierender Beschwerden wurde der Klägers konservativ behandelt. Bei der Vorstellung am 18.11.2002 im Katharinenhospital wurde ein Bizepssehnenriss rechts mit geringer funktioneller Einschränkung diagnostiziert. Eine Delle im Bereich des distalen Bizeps bei der Ellenbogenbeuge sei noch sichtbar. In Anbetracht der guten Funktion und der nur geringen Kraftminderung sei dem Kläger weiterhin ein konservatives Kräftigungstraining angeraten worden, der Kläger habe jedoch auf eine Operation gedrängt. Im Übrigen sei nicht von einem Arbeitsunfall auszugehen (Nachschaubericht von Prof. Dr. H. vom 19.12.2002). Im Nachschaubericht von Dr. P. vom 26.11.2002 wurde bei der Untersuchung am 26.11.2002 eine gute Funktion des rechten Arms mit noch belastungsabhängigen Beschwerden beschrieben. Der Kläger habe eine nochmalige eingehende Beratung gewünscht, ob nicht doch eine Operation eine funktionelle und kosmetische Befundverbesserung erwarten lasse. Nach mehrfacher Erinnerung durch die Beklagte teilte das Katharinenhospital zunächst telefonisch am 27.01.2003 (Anruf Dr. Sch.) und sodann mit Zwischenbericht vom 29.01.2003 mit, da der Unfallmechanismus kein Unfall im Sinne des Gesetzes gewesen sei, hätte eine kassenärztliche Behandlung ab 15.08.2002 durchgeführt werden müssen, die Weiterbehandlung erfolge entsprechend. Dem Kläger sei erneut von einer Operation abgeraten worden. Im Januar 2003 forderte die Beklagte die behandelnden Ärzte auf, keine weiteren Leistungen zu ihren Lasten zu erbringen.
Am 10.05.2005 stellte sich der Kläger wegen Schmerzen bei Kraftaufwand im rechten Arm in der Orthopädischen Klinik M. vor. Bei der Untersuchung sei die Kraft für Beugung und Supination im Ellbogengelenk voll entwickelt und im Seitenvergleich kaum eingeschränkt gewesen. Aufgrund des Zeitablaufs sei keine Möglichkeit einer operativen Anheftung des proximierten Muskelbauchanteiles gegeben (H-Arzt-Zwischenbericht von PD Dr. P. vom 18.05.2005). Mit Zwischenbericht vom 22.09.2005 teilte die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T. (BG-Klinik) mit, nach Vorstellung des Klägers am 20.09.2005 in der Ambulanz wegen Restbeschwerden nach älterer Partialruptur der Bizepssehne rechts bei klinisch unauffälligem Befund werde keine operative Verbesserungsmöglichkeit gesehen. Die Behandlung sei konservativ symptomatisch vorzunehmen. Der Kläger wünsche eine innerbetriebliche Umsetzung an einen leichteren Arbeitsplatz, was zu klären wäre.
Die Beklagte bat die BG-Klinik mit Schreiben vom 13.10.2005, keine Behandlung mehr zu ihren Lasten durchzuführen, weil die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls nicht erfüllt seien. Gegen dieses dem Kläger zur Kenntnis übersandte Schreiben legte er am 28.10.2005 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.02.2006 als unbegründet zurückwies. Das alleinige Anheben von Gewichten ohne zusätzliche Einwirkungen oder die willentliche (gewollte) Armbelastung seien keine unfallbedingten Abläufe.
Am 04.01.2007 wurde in der Sportklinik in St. operativ die Revision der Bizepssehnenruptur rechts vorgenommen (Operationsbericht ...