Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht. GdB-Feststellung. Schwerbehindertenstatus. sozialgerichtliches Verfahren. unselbständige Anschlussberufung bei Nichtannahme eines Vergleichsangebots. Kostenentscheidung. keine verhältnismäßige Quotelung bei Begehren eines GdB von 50
Leitsatz (amtlich)
1. Die unselbständige Anschlussberufung ist auch möglich, wenn ein Vergleichsangebot des Beklagten von der Klägerin nicht angenommen wird.
2. Bei der Kostenentscheidung ist die Übernahme der Hälfte der außergerichtlichen Kosten in der Regel dann nicht gerechtfertigt, wenn der Gesamt-GdB statt 30 nun 40 beträgt, die wirtschaftlich stärker ins Gewicht fallende angestrebte Schwerbehinderteneigenschaft nicht erreicht wird.
Normenkette
SGG § 151 Abs. 1, §§ 202, 193; ZPO § 524; SGB X § 48 Abs. 1 S. 1; SGB IX § 69 Abs. 1, 3
Tenor
Auf die Anschlussberufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 16. Dezember 2014 dahingehend abgeändert, dass unter Abänderung des Bescheides vom 2. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2013 der Beklagte verurteilt wird, bei der Klägerin einen Gesamt-GdB von 40 ab 23. Juni 2012 anzuerkennen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin ein Drittel der außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) streitig.
Die 1951 geborene Klägerin ist seit 2003 arbeitslos, seit Juni 2011 berentet und zusätzlich geringfügig als Taxifahrerin beschäftigt. Ihre Hobbies sind Betreuung des Hundes, PC-Arbeiten, Lesen und im Sommer Motorboot fahren (Anamnese: Dr. K.). Folgende Operationen sind bei ihr erfolgt: Karpaltunnelsyndrom links Dezember 2004 und rechts Juni 2007. Am 4. November 2011 wurde bei ihr eine Spondylodese LWK 4/5 bei absoluter Spinalkanalstenose und Instabilität der Lendenwirbelsäule (LWS), im Dezember 2012 eine Kataraktoperation mit Nachbehandlung durch Laser wegen Komplikationen und im März 2013 eine Schulterarthroskopie mit subacrominaler Dekompression, Teilsynovektomie, Bizepssehnentendotomie, AC-Gelenkerweiterung und arthroskopischer Refixation/Rekonstruktion bei Rotatorenmanschettenruptur bei Impingement und Bizepssehnentendovaginitis mit deutlicher Partialruptur und AC-Gelenksarthrose rechts durchgeführt.
Zuletzt war bei ihr mit Bescheid vom 5. Juni 2009 aufgrund der Funktionsbeeinträchtigungen degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Schulter-Arm-Syndrom und funktionelle Organbeschwerden ein GdB von 20 festgestellt worden.
Am 21. Juni 2011 stellte die Klägerin im Hinblick auf ihre Spinalkanalstenose, ein Schulter-Arm-Syndrom und ihre Hauterkrankung den streitgegenständlichen Verschlimmerungsantrag. Nach Einholung von Befundberichten (u. a. Verdachtsdiagnose auf Granuloma anulare - hartnäckige Hautknötchen - am rechten Unterarm und der rechten Achsel, Hautärztin L.) wurde der GdB mit Bescheid vom 2. Februar 2012, gestützt auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. Z. im Hinblick auf die Hauterkrankung [(Einzel-GdB 30 nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]) ab Antragstellung auf 30 angehoben, wobei die Funktionsbeeinträchtigungen seitens der Wirbelsäule weiterhin mit 20 bewertet wurden. Der dagegen wegen der behandlungsbedürftigen Hauterkrankung wie der Netzhautablösung eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2013 als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin am 14. Februar 2013 Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie sei praktisch nie schmerzfrei. Die Rückenbeschwerden reichten vom Hals bis zur Lendenwirbelsäule, zusätzlich leide sie an der Hauterkrankung.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt und die Klägerin anschließend orthopädisch begutachten lassen.
Facharzt für Hautkrankheiten/Allergologe Dr. St. hat über zweimalige Behandlungen der Klägerin am 21. September 2012 und 7. Februar 2013 berichtet. Er habe aufgrund multipler leicht geröteter Herde mit randständigen Knötchen, generalisiert an ausgedehnten Hautarealen, die Diagnose einer Granuloma anulare disseminatum gestellt. Diese sei bereits andernorts durch eine Hautbiopsie gesichert worden. Derzeit erfolge keine Therapie von seiner Seite. Er habe die Klägerin an die Universitäts-Hautklinik U. überwiesen, wo eine topische Kortikoidtherapie eingeleitet und zusätzlich mit UV bestrahlt worden sei. Unter dieser Behandlung sei noch keine Besserung zu verzeichnen. Funktionsbeeinträchtigungen oder eine Behinderung würden dadurch nicht begründet. Allenfalls könnten psychische Beeinträchtigungen aufgrund sichtbarer, kosmetisch störender Hautveränderungen wie bei anderen Hautkrankheiten auch auftreten.
Der Allgemeinmediziner Dr. V., bei dem die Klägerin ...