Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegeversicherung. Hilfebedarf. Abgrenzung. Behandlungspflege. Grundpflege
Orientierungssatz
Der Zeitbedarf für die Behandlungspflege ist nicht beim grundpflegerischen Zeitbedarf zu berücksichtigen (hier Katheterisierung als Hilfe bei der Verrichtung "Blasenentleerung") (vgl BSG vom 19.2.1998 - B 3 P 3/97 R = SozR 3-3300 § 14 Nr 2).
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin ab 1. April 1995 Pflegegeld der Pflegestufe III nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) zusteht.
Die ... 1988 geborene Klägerin kam mit einem angeborenen Neurofibrosarkom zur Welt. Nach zwei deswegen erforderlichen Operationen besteht eine Querschnittslähmung unterhalb des zwölften Brustwirbels mit kompletter Lähmung der Beine und einer Harnblasenlähmung, weswegen die Klägerin katheterisiert werden muß. Sie lebt mit ihrem siebenjährigen Bruder J N und ihren Eltern seit 01. August 1997 in einem im Erdgeschoß rollstuhlgerecht gebautem Haus in E-D. Sie besuchte seit Anfang September 1995 die Grundschule in D einem Teilort des früheren Wohnortes E die rollstuhlgerecht ausgebaut ist. Sie ist über ihre Mutter, die bei der Beklagten freiwillig versichert ist, familien- und pflegeversichert. Der Vater hat als Berufssoldat im Range eines Hauptmanns Anspruch auf freie Heilfürsorge. Die Klägerin wird im wesentlichen von ihrer Mutter betreut, die von Beruf Kinderkrankenschwester ist und bis zur Geburt der Klägerin in diesem Beruf tätig war. Auf der Basis des Gutachtens des Dr. St vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 24. Januar 1991 und des Dr. M vom 05. Oktober 1993 bewilligte die Beklagte der Klägerin die Geldleistung wegen Schwerpflegebedürftigkeit nach § 57 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) in Kraft bis 31. März 1995.
Am 10. Januar 1995 beantragte die Klägerin für die Zeit ab 01. April 1995 die Gewährung von Pflegegeld nach Pflegestufe III. Aufgrund einer Untersuchung der Klägerin in deren häuslicher Umgebung am 08. September 1995 durch die Pflegefachkraft M kam die Ärztin Dr. B vom MDK in ihrem Gutachten vom 10. Oktober 1995 zu dem Ergebnis, daß Pflegebedarf in den Bereichen der Hygiene, der Mobilität, der Ernährung und der hauswirtschaftlichen Versorgung bestehe und zwar im zeitlichen Rahmen von vier Stunden und fünf Minuten, wobei noch der Zeitaufwand für ein gesundes Kind abgezogen werden müsse. Damit ergab sich eine Grundpflege von weniger als 240 Minuten und damit entsprechend Pflegestufe II, in die die Klägerin kraft der Übergangsvorschrift des Art. 45 Abs. 1 des Pflegeversicherungsgesetzes (PflegeVG) vom 26. Mai 1994 (BGBl. I S. 1014) ohnehin eingestuft ist. Gestützt auf diese Beurteilung durch den MDK lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 06. November 1995 die Gewährung von Leistungen wegen Schwerstpflegebedürftigkeit nach der Stufe III des § 15 Abs. 1 Nr. 3 SGB XI ab.
Im Zuge des Widerspruchsverfahrens wies die Klägerin darauf hin, daß sie täglich fünf mal katheterisiert werden müsse, was das Aus- und Anziehen der Kleidung sowie den Wechsel des Stützmieders und der Gehschienen erfordere. Es bestehe auch nachts Hilfebedarf. Nach dem von ihrer Mutter vorgelegten Tagesprofil (bezogen auf den 10. Januar 1996), belief sich der tägliche Gesamtpflegebedarf auf fünf Stunden und fünfzig Minuten. Die Ärztin Dr. L vom MDK kam aufgrund einer Untersuchung in häuslicher Umgebung am 21. März 1996 in ihrem Gutachten von diesem Tage zu dem Ergebnis, daß sich bei einem grundpflegerischen Zeitaufwand im Bereich der Körperpflege von 118 Minuten, der Mobilität von 145 Minuten und einem Aufwand im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung von 60 Minuten unter Einbeziehung weiterer Zeiten abzüglich einer Richtzeit von 79 Minuten ein grundpflegerischer Zeitbedarf von 193 Minuten ergebe. Hierauf gestützt wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuß den Widerspruch mit Bescheid vom 11. Juni 1996 zurück.
Zur Begründung ihrer Klage vor dem Sozialgericht (SG) Ulm stellte die Klägerin die zeitlichen Feststellungen im Gutachten des MDK vom 21. März 1996 in Frage. Insbesondere müsse sie auch nachts wegen der durchgeführten Dridase-Behandlung zum Trinken angehalten werden. Auch müsse die Therapie nach der Methode Castillo Morales, die zu Hause durchgeführt werde, einbezogen werden (30-45 Minuten). Entgegen der Annahme des MDK müßten bei jedem Katheterisieren die Gehschienen entfernt und wieder angelegt werden. Dies bedeute ein komplettes Aus- und Anziehen, was 80 bis 100 Minuten täglich erfordere. In dem von ihr vorgelegten weiteren Tagesprofil wird der tägliche Pflegeaufwand einschließlich der hauswirtschaftlichen Verrichtungen mit 9,36 Stunden angegeben. Die Klägerin hat darüber hinaus Arztbriefe und Befundberichte unter anderem des Prof. Dr. P vom O-hospital in S vorgelegt. Die Beklagte ist der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten entgegengetreten. Das SG hat die Mutter der Klägerin am 23. Januar 1997 eingehend angehört und mi...