Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. sachlicher Zusammenhang. betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung. Förderung der betrieblichen Verbundenheit. Teilnahmemöglichkeit aller Betriebsangehörigen. weitere Aktivitäten neben Skifahren. Teilnahmequote: 50 vH. mehrtägige Reise im Ausland auch an arbeitsfreien Tagen. freiwillige Teilnahme eines Entwicklungsingenieurs
Leitsatz (amtlich)
Das während einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung neben anderen Aktivitäten auch angebotene Skifahren kann unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen.
Orientierungssatz
1. Dass mit der Reise keine Teambildungsmaßnahme im engeren Sinne, nämlich ein aktiver, gesteuerter Prozess mit einem strukturierten Teambildungsprogramm zur Verbesserung der Zusammenarbeit der Mitarbeiter durchgeführt wurde, ist für die Anerkennung als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung unerheblich.
2. Dass die Veranstaltung mehrere Tage im Ausland an Arbeitstagen und arbeitsfreien Tagen (Samstag, Sonntag) stattfand, steht einer Anerkennung als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung nicht entgegen. Denn Form und Ort der betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung sind nicht eng begrenzt; ebenso ist der Zeitpunkt der Gemeinschaftsveranstaltung für den Versicherungsschutz unerheblich.
Normenkette
SGB VII § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1 Sätze 1-2, § 136 Abs. 3 Nr. 1; SGB IV § 7 Abs. 1; SGG § 54 Abs. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29.11.2017 aufgehoben.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 04.05.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2016 verurteilt, das Ereignis vom 18.03.2016 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der vom Kläger im Rahmen einer mehrtägigen Reise erlittene Ski-Unfall am 18.03.2016 ein Arbeitsunfall war.
Der im Jahr 1979 geborene Kläger war zum Unfallzeitpunkt als Entwicklungsingenieur und kundenverantwortlicher (Firma R. ) Mitarbeiter bei der Firma B. und Datensysteme GmbH (im Folgenden: B. ) beschäftigt, deren Geschäftsfelder die Entwicklungsdienstleistung in den Branchen Automotive und Medizintechnik sind. Im März 2016 waren bei B. 70 Mitarbeiter, verteilt auf mehrere Standorte (60 in S., neun in F. und einer am Firmensitz in W.), beschäftigt (Bl. 29 LSG-Akte).
Der Kläger nahm gemeinsam mit anderen Mitarbeitern an einer Reise nach S./Ö. teil, die von Mittwoch, den 16.03.2016 bis Sonntag, den 20.03.2016 stattfand und vom Geschäftsführer der B. initiiert wurde. Mit der Planung der Reise, einschließlich der gemeinsamen An- und Abreise aller Teilnehmer mit einem Reisebus sowie der Unterkünfte vor Ort, war die Angestellte O. beauftragt (Bl. 29 LSG-Akte), die mit an alle Mitarbeiter der B. gerichteter E-Mail (Bl. 49 VA) mit der Überschrift „Teambildung 2016 bei B. “ zu einer „Veranstaltung zur Förderung der Teamarbeit“ einlud und ausführte, „wir werden wieder (...) nach S./Ö. zur Teambildung fahren“. Es wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass jeder Mitarbeiter teilnehmen könne (Bl. 50 VA). Zur Feststellung der Einzelheiten wird auf Bl. 50 f. VA Bezug genommen. Betriebsfremde Personen wurden nicht eingeladen und nahmen auch nicht teil (Bl. 27 VA). Die Maßnahme findet seit 1997 jährlich in der Regel am dritten Märzwochenende statt (Bl. 37 LSG-Akte). Die Teilnahme an der Reise war für jeden Mitarbeiter freiwillig. Ein fester zeitlicher Ablauf der Veranstaltung war in der Einladung nicht festgelegt. Einen schriftlichen „Tagesplan“ oder Ähnliches gab es vorab nicht. Die Aktivitäten wurden vor Ort, auch abhängig von der Witterung, geplant (Bl. 30 LSG-Akte).
Aus Sicht der B. (Bl. 30 LSG-Akte) war die standortübergreifende Veranstaltung insgesamt eine Maßnahme zur Förderung der Teamarbeit sowie zur Förderung der Verbundenheit zwischen Unternehmensleitung und der Belegschaft und dabei waren die gemeinschaftlichen Aktivitäten Skifahren, Wandern und Rodeln sowie gemeinschaftliche Gespräche über die Abteilungs-, Team- und Projektgrenzen hinweg entscheidend. Darüber hinaus würden seit einigen Jahren einmal jährlich eintägige standortspezifische (Stuttgart, Fulda) Veranstaltungen zur Teambildung (Klettern, Lasertag, Kanufahren, Radausfahrt, Kartfahren, Bowling, Gaming Event, Exit Room) stattfinden (Bl. 37, 38 LSG-Akte).
Die Reise lief wie folgt ab (Bl. 30 LSG-Akte): Die Anreise erfolgte am 16.03.2016 um 16.00 Uhr mit dem Reisebus. An den drei darauffolgenden Tagen wurden ab 9.00 Uhr gemeinsame Aktivitäten in drei Gruppen unternommen (an zwei Tagen eine Gruppe Wandern und zwei Gruppen Skifahren, an einem Tag je eine Gruppe Wandern, Rodeln, Skifahren). Die Einteilung der Gruppen richtete sich nach Können und Ausdauer der Teilnehmer (Bl. 91 VA). In jeder Gruppe nahm mindestens eine Führungskraft aus der Geschäftsführung oder der erweiterten Geschäftsführung teil (Bl. 89 VA, Bl. 27...