Entscheidungsstichwort (Thema)
Wegeunfall. innerer Zusammenhang. unmittelbarer Weg. unerhebliche Wegeverlängerung
Orientierungssatz
Zum Vorliegen eines Wegeunfalles gem. § 8 Abs 2 Nr 1 SGB 7, wenn der Versicherte wegen des hohen Verkehrsaufkommens nicht auf der kürzesten Strecke (Autobahnstrecke), sondern auf Bundes- und Nebenstraßen, was eine Wegeverlängerung von 22 km ausmachte, nach Hause fuhr.
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Anerkennung eines Verkehrsunfalls als Arbeitsunfall (Wegeunfall).
Der ... 1963 geborene Kläger arbeitet als Fachlehrer (Kundendienstlehrer) im Ausbildungscenter der Fa. F AG, ..., in H. Die regelmäßige Arbeitszeit geht von 8.00 bis 17.00 Uhr. Seine Wohnung befindet sich in K. Am 1. April 1998, gegen 17.30 Uhr, erlitt der Kläger einen Verkehrsunfall. Auf der Landstraße 515 stürzte er -- ohne Fremdeinwirkung -- zwischen S und O mit seinem Motorrad und zog sich dabei (u.a.) Frakturen, Prellungen und Bänderrisse am linken Fuß, am rechten Knie, an Lendenwirbeln, Brust und Kopf zu. Beim Durchgangsarzt und während der stationären Heilbehandlung gab der Kläger -- so der Durchgangsarztbericht des Dr. S vom 23. April 1998 -- an, er sei am Unfalltag nicht auf direktem Weg von der Arbeit nach Hause gefahren; nach der Arbeit besuche er regelmäßig seinen seit kurzem pflegebedürftigen Vater.
In einem an seinen Arbeitgeber gerichteten Schreiben vom 25. Mai 1998 teilte der Kläger mit, er könne zu dem Ablauf des Unfalltages und des Unfallhergangs keine genaueren Angaben mehr machen, weil er seinerzeit eine Gehirnblutung mit anschließender Amnesie erlitten habe. Deshalb könne er auch die Wegstrecke zwischen seiner Wohnung und der Arbeitsstätte nicht mehr genau rekonstruieren. Da diese Strecken je nach Verkehrssituation variierten und er sie des öfteren fahre, gehe er von den -- auf dem beiliegenden Fragebogen -- angegebenen Wegen aus. In diesem Fragebogen beschrieb der Kläger seinen gewöhnlichen Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück mit 2 Varianten: zum einen von K auf der Bundesstraße Nr. 19 bis K, sodann von dort ab auf der Bundesautobahn A 6 bis H (Variante 1) zum andern von H über N/Stein, E, W durch das J-tal nach K (Variante 2). Erläuternd gab der Kläger (nochmals) an, diese Wege variierten je nach Verkehrssituation. Die gewöhnliche Wegstrecke sei insgesamt 58 km lang, die gewöhnliche Wegezeit betrage 35 Minuten. Gewöhnlich lege er den Weg mit dem Fahrrad, dem Auto oder dem Motorrad zurück. Am Unfalltag sei er -- so ein Bleistifteintrag in der Handschrift des Klägers auf dem Fragebogen -- einen Weg gefahren, der "dem gewöhnlichen Weg bei Besuch der Eltern" entspreche. Weiter ist der vorgedruckte Text:
"Weg entspricht nicht dem gewöhnlichen Weg" (ebenfalls) mit Bleistift angekreuzt. Bei diesem Weg handele es sich nach seiner, des Klägers, Kenntnis um einen Umweg, der ungefähr 20 km länger sei als der gewöhnliche Weg. Die Wegezeit verlängere sich dadurch um 15 Minuten. Den Umweg habe er gewählt, "wegen Besuches des Vaters in N/Stein krankheitsbedingt 2 -- 3 mal die Woche". Am Unfalltag habe er seinen Vater in der Wstraße ... in N/Stein aufgesucht. Dabei habe es sich -- so wiederum mit Bleistift eingetragen -- um einen "Krankheitsbesuch" von 10 Minuten Dauer gehandelt. Den Unfall habe er nach dem Besuch erlitten. Die Beklagte ermittelte Weglänge und Wegzeit der beiden vom Kläger beschriebenen Wegvarianten mit Hilfe von "Marco Polo Travel Center" Weglisten. Dabei ergaben sich für die Variante 1 eine Weglänge von 50,3 km und eine Wegzeit von 41 Minuten, für die Variante 2 eine Weglänge von 82,5 km und eine Wegzeit von 1 Stunde und 35 Minuten.
Mit Bescheid vom 9. Juli 1998 lehnte es die Beklagte ab, dem Kläger wegen des Verkehrsunfalls vom 1. April 1998 Entschädigung zu gewähren. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe sich aus privaten, eigenwirtschaftlichen Gründen nicht auf dem üblichen, direkten Weg von der Arbeitsstätte zu seiner Wohnung, sondern auf einem Teilumweg befunden, als er den Verkehrsunfall erlitten habe. Hierfür könne er den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nicht beanspruchen.
Am 21. Juli 1998 legte der Kläger Widerspruch ein. Er trug vor, der Verkehrsunfall habe sich ereignet, als er -- nach dem Besuch bei seinem Vater -- wieder auf dem Heimweg von der Arbeitsstätte gewesen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. September 1998 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück, worauf der Kläger am 21. September 1998 Klage beim Sozialgericht Heilbronn erhob. Er trug vor, es stehe ihm grundsätzlich frei, auf welchem Weg er von der Arbeitsstätte nach Hause fahre. Mit dem Kurzbesuch bei seinen Eltern habe er nicht beabsichtigt, in den privaten Bereich zu wechseln. Allenfalls liege ein kurzer Umweg zu einem sog. "dritten Ort" vor. Dafür genieße er den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Beklagte hielt an ihrer Rechtsauffassung fest und trat der Klage entgegen.
Mit Urteil vo...