Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Kassenärztliche Vereinigung. Festlegung des Wortlauts der Abrechnungssammelerklärung. normativer Charakter. überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft (üBAG). Unterzeichnung der Sammelerklärung von allen Partnern der üBAG sowie von dem ärztlichen Leiter und dem/den Vertretungsberechtigten des Medizinischen Versorgungszentrums. Zulässigkeit einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Die Festlegung des Wortlauts der Abrechnungssammelerklärung durch die Kassenärztliche Vereinigung nach § 35 Abs 2 Satz 3 BMV-Ä hat normativen Charakter.
2. Die Festlegung, dass die Abrechnungssammelerklärung durch alle Mitglieder der Berufsausübungsgemeinschaft sowie durch den Vertretungsberechtigten und den ärztlichen Leiter des MVZ zu erfolgen hat, ist nicht zu bestanden. Eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft bestehend aus mehreren MVZ wird hierdurch nicht in ihren Rechten verletzt.
Orientierungssatz
1. Der Zulässigkeit einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage steht nicht entgegen, dass eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft auch die Möglichkeit hätte, die Rechtsfrage im Rahmen eines Honorarstreits klären zu lassen.
2. Das Erfordernis der Unterschriften aller Partner der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft, auch des Medizinischen Versorgungszentrums durch seinen Vertretungsberechtigten und ärztlichen Leiter, verstößt insbesondere nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Auch ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG liegt nicht vor.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.05.2017 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000 € endgültig festgesetzt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Unterschrift unter der Abrechnungssammelerklärung streitig.
Die Klägerin ist eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft (üBAG) mit Betriebsstätten in S. (Hauptbetriebsstätte), E. (Nebenbetriebsstätte), V. (Nebenbetriebsstätte), D. (Nebenbetriebsstätte), F. (Zweigpraxis) und E. am K. (Zweigpraxis). Die Partner der üBAG nehmen als zugelassene Fachärzte für Augenheilkunde an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Das von den Vertragsärzten der Klägerin in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gegründete Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) „S. Klinik“ in D. ist (seit einem entsprechenden Anerkenntnis des Berufungsausschusses für Ärzte im Regierungsbezirk F. im Verfahren beim Sozialgericht Reutlingen am 10.04.2013 - S 1 KA 116/12) im Besitz einer Genehmigung zur Führung einer üBAG mit den Vertragsärzten der Klägerin. Seit 2019 besteht die üBAG aus vier MVZen (S. , E. , V. und D. ), die jeweils die Rechtsform einer Partnerschaftsgesellschaft innehaben. Gesellschafter der als GbR gebildeten üBAG sind Dr. B. und Dr. M. , die zugleich (jeweils) die Partnerschaftsgesellschafter der vier MVZen sind.
Mit Antrag vom 22.04.2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, dass sie die Sammelerklärungen künftig nur noch von einem der einzelvertretungsberechtigten Gesellschafter, Dr. B. und Dr. M. , unterschreiben lassen muss, solange der Beklagten eine schriftliche Erklärung aller Partner der Klägerin vorliege, dass diese damit einverstanden seien, dass Dr. B. und Dr. M. jegliche Erklärungen auch für die übrigen Partner der Klägerin und für die Gesellschafter des MVZ S. Klinik alleine abgeben und Rechtsgeschäfte ausführen dürfen.
Mit Bescheid vom 02.07.2014 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Die Sammelerklärungen der Klägerin müssten mit Wirkung ab dem Quartal III/2014 von allen Partnern der Klägerin sowie von dem ärztlichen Leiter und dem/der Vertretungsberechtigten des MVZ S. Klinik unterzeichnet werden. Zur Begründung gab die Beklagte an, die Regelung der Abrechnungsrichtlinien der Beklagten in § 5 der Abrechnungsbestimmungen werde durch die „Erstellung der Quartalsabrechnung - Abrechnungsbestimmungen“ konkretisiert. Diese sähen in der aktuell gültigen Fassung vor, dass die Sammelerklärung in einer BAG von allen Partnern und im MVZ vom ärztlichen Leiter und dem/der Vertretungsberechtigten unterschrieben werden müsse. Die Abrechnungsbestimmungen seien (u.a.) auf der Homepage der Beklagten veröffentlicht und damit als Allgemeinverfügung im Sinne von § 31 Satz 2, 1. Alt. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) für alle an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Personen bzw. Einrichtungen verbindlich. Eine an die Klägerin gerichtete Einzelverfügung sei nicht erforderlich. Es sei unbeachtlich, dass das MVZ eine Nebenbetriebsstätte der Klägerin sei. Es nehme als eigenständige Organisationseinheit innerhalb der Klägerin an der vertragsärztlichen Versorgung teil und sei somit einem persönlichen Partner der Klägerin gleichgestellt. Unerheblich sei, dass das MVZ von einem oder mehreren der bisherigen Partner der Klägerin gegründet worden sei. Entscheidend sei der Vertragsarztsi...