Entscheidungsstichwort (Thema)
gesetzliche Unfallversicherung. Deutschland. Zwangsmitgliedschaft. Monopolstellung. Verfassungsmäßigkeit. Europarechtskonformität. Beitragspflicht gem §§ 152ff SGB 7. Lastenausgleich unter den Berufsgenossenschaften. Insolvenzgeldumlage
Orientierungssatz
1. Verstößt schon die Pflichtmitgliedschaft der in Deutschland ansässigen Unternehmen in der gesetzlichen Unfallversicherung nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der Senat anschließt (vgl BSG vom 11.11.2003 - B 2 U 16/03 R = BSGE 91, 263), weder gegen das Recht der Europäischen Gemeinschaft noch gegen das Grundgesetz, so gilt dies grundsätzlich auch für die Vorschriften des SGB 7 (§§ 152ff), nach denen die Höhe der zu entrichtenden Beiträge bestimmt wird.
2. Die Sozialgerichte können dabei die von der Vertreterversammlung auf dieser Grundlage getroffene Regelung nur auf die Übereinstimmung mit den gesetzlichen Regelungen und den Wertentscheidungen des Grundgesetzes sowie den tragenden Grundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung überprüfen. Nützlichkeits- und Zweckmäßigkeitsüberlegungen sind den Gerichten verwehrt (vgl BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 = BSGE 91, 128).
3. Zur Verfassungsmäßigkeit des Ausgleichsverfahrens gem §§ 176ff SGB 7 (vgl BSG vom 13.8.2002 - B 2 U 31/01 R = SozR 3-2700 § 180 Nr 1) und der Insolvenzgeldumlage gem §§ 358ff SGB 3 bzw gem §§ 183ff AFG idF vom 17.7.1974. Wären nämlich diese Regelungen insgesamt verfassungswidrig gewesen, so wäre das Bundesverfassungsgericht schon gar nicht zur Prüfung gekommen, ob die Vorschrift des § 186c Abs 3 S 1 iVm § 186c Abs 2 S 2 AFG verfassungskonform ist (vgl BVerfG vom 5.10.1993 - 1 BvL 34/81 = BVerfGE 89, 132).
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob und in welcher Höhe die Kläger Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung zu entrichten haben.
Die Kläger sind Mitglieder der Anwaltssozietät Dr. T und Dr. L. Die Beklagte trug Dr. L mit dem bindend gewordenen Bescheid/Mitgliedschein vom 15.12.1983 in ihr Unternehmerverzeichnis ein. Mit dem Veranlagungsbescheid vom 27.06.2001 wurden die Kläger nach dem ab 01.01.2001 geltenden Gefahrtarif in die Gefahrtarifstelle 11 (Rechtsanwalt, Notar, Rechtsbeistand, Rentenberater), Gefahrklasse 0,57 veranlagt. Mit Beitragsbescheid für 2001 vom 24.04.2002 wurde der Beitrag auf insgesamt 1.725,69 € (Beitrag zur Beklagten: 786,09 € + Beiträge für Fremdunterlagen (Anteil am Leistungsausgleich für gewerbliche BGen: 175,14 € - Anteil an der Insolvenzgeld-Umlage Bundesanstalt für Arbeit: 764,46 €): 939,60 €) festgestellt.
Gegen den Beitragsbescheid legten die Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, gegenüber dem Beitragsbescheid für das Jahr 2000 ergebe sich eine Beitragssteigerung von 114,56 %. Für die Veranlagung in Gefahrklassen und den Beitrag für Fremdumlagen fehle es an einer konkreten gesetzlichen bzw. ausreichenden Ermessungsgrundlage. Die Beklagte verwies mit Schreiben vom 27.09.2002 u. a. darauf, dass der Widerspruch gegen den Veranlagungsbescheid vom 27.06.2001 unzulässig sei, weil er nicht fristgerecht eingelegt worden sei. Die Kläger erhoben auch gegen den Säumniszuschlagbescheid vom 27.01.2003 Widerspruch.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2003 den Widerspruch gegen den Beitragsbescheid für 2001 vom 24.04.2002 hinsichtlich a) der Veranlagung zu den Gefahrklassen gem. § 159 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches (SGB) VII, b) der Insolvenzgeldumlage gem. §§ 183 ff und §§ 358 ff SGB III und c) des Anteiles am Gemeinsamen Ausgleich gem. § 176 SGB VII zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Widerspruch gegen den Veranlagungsbescheid (vom 27.06.2001) sei nicht fristgerecht erhoben worden. Unabhängig davon sei gem. § 44 SGB X geprüft worden, ob bei der Erteilung des Veranlagungsbescheides von einem falschen Sachverhalt ausgegangen bzw. das Recht unrichtig angewendet worden sei. Da jedoch keine dieser beiden Möglichkeiten gegeben sei, sei der Veranlagungsbescheid auch nicht nach § 44 Abs. 1 SGB X zurückzunehmen.
Der Widerspruch gegen den Beitragsbescheid vom 24.04.2002 sei unbegründet. Die Vorschrift des § 359 Abs. 2 Satz 2 SGB III sei vom Bundesverfassungsgericht für Verfassungskonform erklärt worden (Beschluss vom 05.10.1993 - 1 BvL 34/81). Die Vorschrift des § 176 SGB VII, die den Anteil am Gemeinsamen Ausgleich regle, sei nach sozialgerichtlicher Rechtsprechung verfassungsgemäß.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Kläger am 08.04.2003 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) mit der Begründung, hinsichtlich der Eingruppierung in Gefahrenklassen sei ihnen ein notwendiger Feststellungsbescheid unter Zustellungsnachweis mit entsprechender Rechtsbehelfsbelehrung nicht erteilt worden. Die Gefahrklasseneinteilung der Beklagten sei völlig willkürlich. Im Übrigen wurde das Vorbringen aus dem Widerspruchsverfa...