Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung -Kernpunkte der Regelungen nach § 85 Abs 4 S 7 und 8 SGB 5. Berücksichtigung durch Bewertungsausschuss. Kassenärztliche Vereinigung. Rechtswidrigkeit. Honorarverteilungsvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Kernpunkt der Regelungen des Gesetzgebers in § 85 Abs. 4 S 7 und 8 SGB 5 (Fassung 2005) sind zum einen arztgruppenspezifische Grenzwerte (Vorgabe 1), innerhalb deren erbrachte ärztliche Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten sind (Vorgabe 2 - wobei Vorgabe 1 und Vorgabe 2 zusammen als Regelleistungsvolumen bezeichnet werden) und für den Fall der Überschreitung dieser Grenzwerte eine Überschreitung der Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten (Vorgabe 3) zu erfolgen hat. Diese gesetzlichen Vorgaben sind zwingend.

2. Der Bewertungsausschuss darf zwar den Inhalt der Regelungen zu den Leistungsvolumen und zur Abstaffelung der überschießenden Leistungsmenge näher konkretisieren und gegebenenfalls dazu passende ergänzende Steuerungsinstrumente einführen (§ 85 Abs. 4a SGB 5), er muss sich dabei aber immer im Rahmen der grundsätzlichen gesetzlichen Wertung in § 85 Abs. 4 S 7 und 8 SGB 5 halten.

3. Ein Honorarverteilungsvertrag, der ein nach Punkten bemessenes Individualbudget vorsieht, das auf den Abrechnungsergebnissen des Vorjahres basiert und die Leistungen mit einem floatenden Punktwert vergütet, verstößt sowohl gegen § 85 Abs. 4 SGB 5 als auch gegen die Übergangsvorschrift unter III. 2.2 des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29.10.2004.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.03.2010; Aktenzeichen B 6 KA 43/08 R)

BSG (Beschluss vom 17.03.2010; Aktenzeichen B 6 KA 43/08 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. Februar 2008 wird zurückgewiesen.

Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens zu ¾, der Kläger zu ¼ .

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 5000 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der dem Honorarbescheid für das Quartal 2/05 zugrunde liegende Honorarverteilungsvertrag (HVV) der gesetzlichen Vorgabe genügt, wonach die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten sind (§ 85 Abs. 4 Satz 7 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V).

Der Kläger ist Arzt für Allgemeinmedizin und zur vertragsärztlichen Versorgung in St. zugelassen; er nimmt an der hausärztlichen Versorgung teil.

Am 02.11.2005 ging ihm der Abrechnungsbescheid für das Quartal 2/05 zu. Darin teilte ihm die Beklagte, seit 1.1.2005 Rechtsnachfolgerin der für den Kläger bisher zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nord-Württemberg, u.a. folgende Grunddaten mit:

1

Grunddaten

Ersatzkassen

Primärkassen

Gesamt

1.1

Eingereichte Fälle

224 Fälle

871 Fälle

1.3

Überschreitung gemäß Fallzahlzuwachsbegrenzung

8 Fälle

30 Fälle

1.4

Für das Punktzahlgrenzvolumen relevante Fälle

211 Fälle

825 Fälle

1.5

Fallpunktzahl entsprechend HVV

1.191,0 Punkte

1.278,8 Punkte

1.6

Korrekturfaktor zur Stabilisierung des Punktwerts

0,8402

0,9996

1.7

Fallpunktzahl für das Punktzahlgrenzvolumen

959,4 Punkte

1.084,4 Punkte

2

Anwendung desPunktzahlgrenzvolumens

2.1

Anforderung in Punkten

231.721,0 Punkte

853.247,1 Punkte

1.084.968,1 Punkte

2.2

Punktzahlgrenzvolumen in Punkten (1.4 x 1.7)

202.433,4 Punkte

894.630,0 Punkte

2.3

Über das Punktzahlgrenzvolumen hinausgehende Punkte

29.287,6 Punkte

0,0 Punkte

29.287,6 Punkte

2.4

Anteil der über das Punktzahlgrenzvolumen hinausgehenden Punkte in v.H.

12,6 v.H.

0,0 v.H.

2,7 v.H.

Im Bereich der Ersatzkassen wurde das Punktzahlgrenzvolumen gemäß HVV von 202.433,4 Punkten mit einem Punktwert von 3,9835 Cent, die Überschreitung des Punktzahlgrenzvolumens von 29.283,9 Punkten mit 0,4003 Cent vergütet. Bei den Primärkassen betrug der Punktwert für alle Kassengruppen (AOK, BKK, Bundesknappschaft, IKK und Landwirtschaftliche KK) 4,1841 Cent.

Mit seinem am 16.11.2005 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruch machte der Kläger geltend, der Widerspruch richte sich u.a. gegen die ab dem 01.04.2005 vorgenommene Honorarverteilung und den ihr zugrundeliegenden HVV. Nach § 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V seien für die Honorarverteilung insbesondere arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen, bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten sind (Regelleistungsvolumina). Nur die den Grenzwert überschreitenden Leistungen seien mit abgestaffelten Punktwerten zu vergüten. Dennoch sei in Baden-Württemberg ein HVV vereinbart worden, der keine festen Punktwerte vorsehe. Dies verstoße gegen höherrangiges Gesetzesrecht. Soweit das Gesetz eindeutig feste Punktwerte bei der Honorarverteilung vorschreibe, könne der Bewertungsausschuss auch im Rahmen seiner Konkretisierungskompetenz nach § 85 Abs. 4 a Satz 1 SGB V hiervon nicht abweichen. Abgesehen davon würden auch die Voraussetzungen der vom Bewertungsausschuss erlaubten Abweichungen nicht vorliegen. Anstelle der in Nord-Württemberg bisher praktizierten Verg...

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