Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragspsychotherapeutische Versorgung. Zulassung. Fachkundenachweis. Anwendung der Psychotherapierichtlinien. Gesprächspsychotherapie. Kostenerstattung. Systemversagen. Nichtberücksichtigung der Gesprächspsychotherapie als Kassenleistung durch G-BA ist rechtens

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Anwendung der §§ 95 Abs 2 S 3 Nr 1, 95c S 1 Nr 2, S 2 Nr 3 SGB 5 ist vom gegenwärtig geltenden Normenbestand der Psychotherapierichtlinien auszugehen.

2. Solange die Gesprächspsychotherapie als in der gesetzlichen Krankenversicherung anerkanntes Behandlungsverfahren in den Psychotherapierichtlinien nicht benannt ist, kann der Fachkundenachweis des §§ 95c SGB 5 durch gesprächspsychotherapeutische Behandlungen oder Ausbildungen nicht erbracht werden.

3. Leistungserbringer können sich bei verzögerter Beschlussfassung grundsätzlich nicht auf Systemversagen (analog § 13 Abs 3 SGB 5) berufen, entscheidend ist allein ob sie in ihren Grundrechten aus Art 12 GG verletzt werden.

4. Der Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vom 24.4.2008, dass die Gesprächspsychotherapie nicht die Erfordernisse der Psychotherapierichtlinien erfüllt, als ein zur Krankenbehandlung geeignetes Verfahren iS von § 92 Abs 6a iVm § 135 Abs 1 SGB 5 anerkannt zu werden, ist nicht zu beanstanden. Der G-BA hat sich innerhalb des ihm eingeräumten Beurteilungsspielraums gehalten.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 28.10.2009; Aktenzeichen B 6 KA 45/08 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20. August 2003 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen Ziff. 2) - 9).

Der Streitwert wird auf 20.000,- € festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger, Gesprächspsychotherapeut, begehrt die Eintragung in das Arztregister.

Der 1950 geborene Kläger ist Diplom-Sozialpädagoge (FH; Staatsexamen 1978). Unter dem 6.2.1989 wurde ihm von der Gesellschaft für wissenschaftliche Gesprächspsychotherapie e.V. die Anerkennung als Ausbilder in personenzentrierter Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen erteilt (Verwaltungsakte S. 3); ein entsprechendes Zertifikat in personenzentrierter Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen erhielt er unter dem 2.5.1997. Mit Urkunde vom 4.1.1999 wurde der Kläger als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut approbiert. Seit 1.7.2001 ist er als Gutachter für Familiengerichte und als freier Mitarbeiter im kindertherapeutischen Zentrum, Esslingen, tätig.

Am 19.6.2002 (Verwaltungsakte S. 37) beantragte der Kläger die Eintragung in das Arztregister. Er praktiziere das Verfahren der personenzentrierten Psychotherapie, die seines Wissens gerade vom Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie (§ 11 Psychotherapeutengesetz, PsychThG) als Richtlinienverfahren anerkannt worden sei. Die derzeitig ausgeübte selbstständige Erwerbstätigkeit werde er bei Aufnahme der vertragspsychotherapeutischen Arbeit aufgeben (Verwaltungsakte S. 15).

Der Kläger legte Nachweise für das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 12 Abs. PsychThG vor:

Die Psychologische Erziehungs- und Lebensberatung des evangelischen Kirchenbezirks S., bei der der Kläger vom 1.9.1988 bis 7.4.1992 beschäftigt war, gab an, von September 1988 bis Dezember 1990 (Verwaltungsakte S. 42, im Widerspruchsverfahren vorgelegt) bzw. September 1991 (Verwaltungsakte S. 25) habe der Kläger auf Honorarbasis Spieltherapien und Elternarbeit nach dem personenzentrierten Konzept (10 Stunden wöchentlich) durchgeführt; bis 7. April 1992 sei er vier Stunden wöchentlich tätig gewesen. Sein Aufgabengebiet habe die personenzentrierte Psychotherapie mit Kindern, beispielsweise bei emotionalen Störungen mit Trennungsangst, sozialer Ängstlichkeit, Geschwisterrivalität, reaktiver Bindungsstörung, als Einzel- und Gruppentherapie umfasst. Er sei 400 Stunden psychotherapeutisch mit Patienten unter 21 Jahren tätig gewesen.

Das Psychiatrische Landeskrankenhaus W., wo der Kläger vom 1.4.1992 bis 30.6.1993 im Sozialdienst angestellt war, führte im Dienstzeugnis vom 16.1.1995 aus, die Arbeit des Klägers habe (u. a.) die Beratung von Klienten und die Erarbeitung von Problemlösungsstrategien in Einzel- und Gruppengesprächen umfasst. Seine hauptsächliche Tätigkeit habe in der Beratung und Betreuung hinsichtlich der Vermittlung und Einleitung finanzieller und sozialer Hilfen sowie rehabilitativer Maßnahmen bestanden.

Die Fachklinik Haus K., bei der der Kläger vom 1.7.1993 bis 31.3.1998 in Vollzeit gearbeitet hatte, gab an, das Aufgabengebiet des Klägers habe in der psychotherapeutischen Behandlung von Kindern suchtkranker Mütter, teils auch von suchtkranken Frauen, bestanden. Der Kläger sei 4000 Stunden psychotherapeutisch tätig gewesen, davon 2500 Stunden mit Patienten unter 21 Jahren. Ergänzend heißt es im Dienstzeugnis vom 2.4.1998, bei der Mutter-Kind-Betreuung sei der Kläger für die Spieltherapie mit Kindern suchtkranker Mütter, die pädagogische Beratung und...

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