Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Unfallkausalität. Nachweis. Wahrscheinlichkeit. An- und Ablegen der Arbeitskleidung. Drahtstück einer Arbeitsmaschine. Fußverletzung

 

Leitsatz (amtlich)

Das An- und Ablegen der Arbeitskleidung bildet bei natürlicher Betrachtungsweise mit der eigentlich versicherten Tätigkeit eine Einheit.

Gelangt ein mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von der Bearbeitung eines Werkstücks stammender Metalldraht in den Fuß des Klägers, ist bei Ausschluss eines anderen Geschehensablaufs mit Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich der Kläger diese Verletzung beim Umkleiden zugezogen hat.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 05.05.2021 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahren zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens über die Anerkennung eines Ereignisses im Sommer 2016 als Arbeitsunfall.

Der 1960 geborene Kläger war u.a. im Jahr 2016 bei der Firma G GmbH (Arbeitgeberin) beschäftigt und in dieser Beschäftigung bei der Beklagten versichert.

Am 26.08.2016 stellte er sich auf Anraten seines W wegen Schmerzen am linken Fuß in der U-klinik F - Hautklinik - vor, wo Druckstellen diagnostiziert wurden, die wohl auf unpassende Arbeitsschuhe zurückzuführen seien.

Aufgrund anhaltender Beschwerden erfolgte (auf Überweisung des Hausarztes) am 21.10.2016 eine röntgenologische Untersuchung des linken Fußes, die einen schmalen, länglichen Fremdköper zeigte. Vom 24.10.2016 bis 31.10.2016 befand sich der Kläger stationär im Evangelischen D-krankenhaus F (D-krankenhaus) aufgrund von Phlegmonen am linken Vorfuß bei einem Ulkus am lateralen Fußrand; es bestehe eine Sensibilitätsminderung im Vorfuß links. Dort wurde wegen des eingetretenen Fremdkörpers eine Vorstellung des Klägers zur weiteren Abklärung der Behandlung in der U-klinik F - Chirurgie - empfohlen. Im Arztbericht der U-klinik vom 07.11.2016 wurde ausgeführt, der Kläger sei in der Metallverarbeitung tätig und es bestehe somit der Verdacht, dass er sich den Metallsplitter im Rahmen seiner Tätigkeit eingetreten habe, weshalb die weitere Versorgung durch den Durchgangsarzt (D-Arzt) der Unfallversicherung zu erfolgen habe. Am 02.11.2016 wurde in der U-klinik der Fremdkörper entfernt; aufgrund von Wundheilungsstörungen war der Kläger bis 09.11.2016 in stationärer Behandlung.

Mit Unfallanzeige vom 28.10.2016 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er sich im Juli 2016 im linken Fuß einen Metallsplitter bei der Arbeit zugezogen habe, der sich chronisch entzündet habe. Mit Schreiben vom 05.12.2016 teilte er mit, dass er sich nicht erklären könne, wie exakt das Metallteil in den Fuß gelangt sei; es stamme jedoch von einer Rundbürste, welche zum Bürsten von Metallprofilen verwendet werde.

Mit Schreiben vom 28.11.2016, 28.12.2016 und 24.02.017 (teils auf Nachfrage der Beklagten, die zunächst von einem Arbeitsunfall ausging) gab ein Vorgesetzter des Klägers an, dass die Verletzung nur im Privatbereich erfolgt sein könne, da der Kläger im Unternehmen immer Sicherheitsschuhe trage. Der Kläger sei jedoch Hobbybastler, so dass er sich auch dort den Splitter eingetreten haben könne.

Mit E-Mail vom 28.01.2017 teilte der Kläger mit, dass er die Arbeitsschuhe nicht mit nach Hause nehme, sondern sich bei der Arbeitgeberin umziehe. In seiner Freizeit beschäftigte er sich nicht mit Metallarbeiten, da ihm Platz und Werkzeug fehlten.

Mit Bescheid vom 10.05.2017 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses von Juli 2016 als Arbeitsunfall ab. Sie habe mit dem Arztbericht vom 07.11.2016 erstmals Kenntnis erhalten, dass sich der Kläger einen Metallsplitter im linken Fuß zugezogen habe, welcher sich chronisch entzündet habe. Die Arbeitgeberin habe erklärt, dass nicht nachvollzogen werden könne, wie der Metallsplitter trotz des Tragens von Sicherheitsschuhen in den Fuß gelangt sein solle. Somit sei der erforderliche Vollbeweis für das Vorliegen eines Unfalles bei einer versicherten Tätigkeit nicht erbracht. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Am 19.07.2018 bat der Kläger um Überprüfung des Arbeitsunfalls, da als dessen Spätfolge der linke kleine Zeh habe amputiert werden müssen.

Mit Bescheid vom 30.07.2018 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 08.10.2018 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Es seien nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) keine neuen Tatsachen vorgetragen worden, die für die Unrichtigkeit des dem beanstandeten Verwaltungsakt zu Grunde gelegten Sachverhalts oder für die Rechtswidrigkeit dieses Verwaltungsaktes sprächen.

Am 08.11.2018 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Von den Bürsten im Betrieb würden Splitter abgeschleudert. Diese seien sehr klein und könnten an der Kleidung anhaften. Im Umkleideraum würden keine Sicherheitsschuhe mehr getragen. Auch lägen die Splitter, die in den Umkleideraum ...

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