Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankengeld. Bemessung bei einem freiwillig Versicherten hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen. Berücksichtigung des Arbeitseinkommens vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit auch bei keiner Einkommenserzielung. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einem freiwillig Versicherten hauptberuflichen Selbstständigen ist das Arbeitseinkommen, das der Berechnung des Krankengeldes zugrundezulegen ist, auch dann aus dem Zeitraum unmittelbar vor Beginn der maßgeblichen Arbeitsunfähigkeit zu ermitteln, wenn der freiwillig Versicherte hauptberufliche Selbstständige im letzten Kalenderjahr vor Beginn der maßgeblichen Arbeitsunfähigkeit ebenfalls arbeitsunfähig war und kein Einkommen erzielt hat, mit der Folge, dass ihm kein Zahlungsanspruch auf Krankengeld zusteht.

 

Orientierungssatz

Diese Rechtslage verletzt nicht die Grundrechte des Versicherten (vgl BSG vom 30.3.2004 - B 1 KR 32/02 R = SozR 4-2500 § 47 Nr 1).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 10.05.2010; Aktenzeichen B 1 KR 144/09 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 02. September 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten werden auch im Berufungsverfahren nicht erstattet.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt höheres Krankengeld (Krg).

Der Kläger ist 1946 geboren. Er ist als selbstständiger Großhandelskaufmann und Unternehmensberater tätig. Seit dem 01. Januar 1999 ist er bei der Beklagten als hauptberuflich Selbstständiger freiwillig mit Anspruch auf Krg ab dem 22. Tag der Arbeitsunfähigkeit (AU) in der Beitragsklasse 607 versichert. Der Kläger war seit 2003 mehrmals arbeitsunfähig erkrankt und bezog Krg von der Beklagten, zuletzt bis 27. September 2004. Im Jahre 2004 war der Kläger vom 21. Februar bis zum 11. März arbeitsfähig. Danach lag wieder AU vor, wobei der Kläger vom 06. bis 27. Mai 2004 eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der B.-Klinik Ü. absolvierte. Zuletzt hatte ihm Prof. Dr. G.-Z. für die Zeit vom 28. Mai bis 30. August 2004 wegen Gonarthrose und sodann durchgängig vom 02. September 2004 bis zum 08. März 2006 wegen “Lumboischialgie„ AU bescheinigt. Ob dem Kläger Krg auch für die Zeit vom 28. September 2004 bis 08. März 2006 zusteht, ist Gegenstand des am heutigen Tage entschiedenen Berufungsverfahrens L 4 KR 2324/08.

Am 29. August 2006 erhielt die Beklagte eine Erstbescheinigung vom 22. August 2006, mit der Prof. Dr. G.-Z. dem Kläger vom 22. August bis 04. September 2006 AU wegen Migräne bescheinigte. Folgebescheinigungen mit derselben Diagnose datieren vom 05. September (bis zum 19. September), vom 18. September (bis zum 02. Oktober) und vom 02. Oktober (bis zum 16. Oktober 2006). Nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) teilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 29. September 2006 mit, die AU ende am 02. Oktober 2006. Unter dem 20. November 2006 stellte Prof. Dr. G.-Z. eine neue Erstbescheinigung über AU wegen “Gonarthrose„ vom 20. November bis zum 03. Dezember 2006 aus. Folgebescheinigungen mit derselben Diagnose datieren vom 04. Dezember (bis 18. Dezember 2006), 18. Dezember 2006 (bis 07. Januar 2007), 08. Januar 2007 (bis 28. Januar, zusätzliche Diagnose: Lumboischialgie), 26. Januar (bis 18. Februar), 19. Februar (bis 11. März), 08. März (bis 22. März), 23. März (bis 15. April), 16. April (bis 30. April), 30. April (bis 31. Mai) und 29. Mai (bis 30. Juni 2007). Mit Auszahlschein vom 05. Juni 2007 teilte Prof. Dr. G.-Z. mit, das Ende der Arbeitsunfähigkeit wegen Gonarthrose sei derzeit nicht absehbar.

Mit einem Schreiben vom 14. September 2006, das nicht vorliegt, bat die Beklagte den Kläger, sein aktuelles Arbeitseinkommen mitzuteilen. Der Kläger antwortete unter dem 18. September 2006, er werde seit Jahren in der einkommensunabhängigen Beitragsklasse 607 geführt, und er fragte, warum er sein Arbeitseinkommen mitteilen solle. Nach einem Telefonat mit der Beklagten am selben Tage legte der Kläger den Einkommensteuerbescheid des Finanzamts Reutlingen vom 24. April 2006 vor, nach dem er im Jahre 2004 - ausschließlich aus Gewerbebetrieb - Einkünfte von € 2.816,00 hatte. Auch teilte er mit, er habe vom 09. März bis 21. August 2006 zwar einige Aufträge ausgeführt, die Bezahlung werde jedoch später erfolgen. Nachdem der Kläger über seinen Bevollmächtigten erneut vorgetragen hatte, er meine, keine Einkommensnachweise vorlegen zu müssen, teilte ihm die Beklagte mit Schreiben vom 23. Oktober 2006 mit, nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. März 2004 (B 1 KR 31/02 R = SozR 4-2500 § 47 Nr. 1) werde ab dem 01. September 2005 auch für freiwillig versicherte Selbstständige der Beitragsklassen 607 und 608 das Krg nur noch aus dem Arbeitseinkommen ermittelt. Der Kläger erwiderte, der “Versicherungsvertrag„ zwischen ihm und der Beklagten sei nicht gekündigt worden und bestehe daher unverändert fort. Mit Bescheid vom 18. Januar 2007 erläuterte die Beklagte dem Kläger nochmals ihre Auffa...

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