Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflegegeld nach Pflegestufe I. Wechsel von privater zur gesetzlichen Pflegeversicherung

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei einem Wechsel von einem privaten Krankenversicherungsunternehmen zu einer sozialen Pflegekasse ist letztere nicht verpflichtet, entsprechend der im Privatrechtsverhältnis erteilten Leistungszusage Pflegegeld zu gewähren. Der Gesetzgeber hat keine Regelung dahingehend getroffen, dass die Pflegekasse unabhängig von den durch den MDK erhobenen medizinischen Feststellungen an eine zuvor von einem privaten Krankenversicherungsunternehmen abgegebene Leistungszusage gebunden ist. Eine derartige Bindungswirkung lässt sich auch nicht aus den allgemeinen Verfahrensvorschriften des SGB X herleiten.

Dass die private Pflegeversicherung auf privatrechtlicher Grundlage nach den normativen Vorgaben des Privatversicherungsrechts betrieben wird, schließt die Übernahme des Regelungskonzeptes des SGB X über die Aufhebung von Leistungsbescheiden bei ursprünglicher Unrichtigkeit bzw. bei Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse zwar nicht grundsätzlich aus, doch erforderte dies eine entsprechende Vereinbarung der Partner des Versicherungsvertrages, beispielsweise durch Aufnahme entsprechender Regelungen in die MB/PPV und deren vertragliche Einbeziehung.

 

Normenkette

SGB XI § 37 Abs. 1, §§ 14, 15 Abs. 3 Nr. 1, § 33 Abs. 1, § 18 Abs. 1

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger weiterhin Pflegegeld nach Pflegestufe I zusteht. Der ... 1981 geborene Kläger leidet an einem Down Syndrom. Nach Abschluss seiner schulischen Ausbildung nahm er eine Tätigkeit in der Werkstatt für Behinderte in ... auf. Hierdurch wurde zum 13. September 1999 eine Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung begründet; seither ist der Kläger bei der Beklagten pflegeversichert. Zuvor war er über seinen Vater R.M. bei der Postbeamtenkrankenkasse (PBeaKK) privat kranken- und pflegeversichert. Seit 01. April 1995 bezog R.M. für den Kläger auf Grund der Leistungszusage vom 09. Juni 1995 von dort anteiliges Pflegegeld nach Pflegestufe I. Im Hinblick auf den Wechsel in die gesetzliche Krankenversicherung beantragte der Kläger am 29. September 1999 bei der Beklagten die Weitergewährung von Pflegegeld. Unter Vorlage des Schreibens der PBeaKK vom 09. Juni 1995 machte er geltend, in die Pflegestufe I eingestuft worden zu sein, nachdem die Postbetriebsärztin Dr. W., wie die gleichfalls vorgelegte Bescheinigung vom 06. Februar 1992 und das Schreiben der Dr. W. (ohne Datum) zeigten, Pflegebedürftigkeit bestätigt habe. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK), wobei der hinzugezogene Gutachter auf der Grundlage des durch die Pflegefachkraft N. ermittelten Hilfebedarfs ausweislich des Gutachtens vom 07. Dezember 1999 zu der Einschätzung gelangte, dass der Hilfebedarf des Klägers im Bereich der Grundpflege 28 Minuten täglich betrage. Mit Bescheid vom 10. Dezember 1999 lehnte die Beklagte die Gewährung von Pflegegeld daraufhin ab. Im Widerspruchsverfahren legte der Kläger das Schreiben der PBeaKK vom 06. Oktober 1997 vor, mit dem R.M. im Hinblick auf seinen seinerzeitigen Verschlimmerungsantrag mitgeteilt worden war, dass auf Grund des Ergebnisses der durchgeführten Untersuchung die bisherige Pflegestufe I und die entsprechende Leistungszusage weiterhin gültig seien. Weiter machte er geltend, in dem zu Grunde liegenden Gutachten vom 26. November 1999 sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass sich die Pflegesituation in den letzten Jahren in keiner Weise verändert habe. Nachdem ein Leistungsentzug auch im Falle des Wechsels einer Pflegekasse lediglich unter den Voraussetzungen der §§ 45, 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) zulässig sei, sei der Bescheid vom 10. Dezember 1999 rechtswidrig. Die Beklagte veranlasste eine weitere Stellungnahme des MDK, wobei der Erstgutachter ebenso wie die weiter hinzugezogene Dr. St. (Stellungnahmen vom 15. Januar und 01. Februar 2000) keinen die Pflegestufe I erreichenden Hilfebedarf sahen. Mit Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten gebildeten Widerspruchsausschusses vom 27. März 2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Hiergegen erhob der Kläger beim Sozialgericht (SG) Stuttgart Klage und machte geltend, weiterhin erheblich pflegebedürftig zu sein, nachdem sich die Pflegesituation - wie auch im Gutachten des MDK bestätigt - in den letzten Jahren nicht verändert habe. Nachdem ein Leistungsentzug im Falle des Wechsels der Pflegekasse lediglich unter den Voraussetzungen des §§ 45, 48 SGB X zulässig sei, habe die Beklagte darzulegen, inwieweit eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 48 SGB X eingetreten sei. Die Beklagte gehe zu Unrecht davon aus, dass ein Bestandsschutz deshalb nicht bestehe, weil Pflegegeld nicht nach dem bis 31. März 1995 geltenden Recht gewährt worden sei. Denn vorliegend sei gerade nicht die erstmalige Gewährung von Leistunge...

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