Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Beginn des Anspruchs auf Verletztenrente und Ende des Anspruchs auf Verletztengeld. Arbeitsunfall in Hauptbeschäftigung. länger andauernde Arbeitsunfähigkeit in Nebenbeschäftigung. Ersterkrankung. Wiedererkrankung
Leitsatz (amtlich)
Bei einer Ersterkrankung kommt ein gleichzeitiger Bezug von Verletztengeld und Verletztenrente auch dann nicht in Betracht, wenn die Arbeitsunfähigkeit in einer Nebenbeschäftigung länger andauert als in der Hauptbeschäftigung, in welcher sich der Arbeitsunfall ereignet hat.
Orientierungssatz
Grund für die ausnahmsweise Anordnung des parallelen Bezugs von Verletztengeld und -rente bei Wiedererkrankung ist die Vorstellung des Gesetzgebers, dass in derartigen Fällen pauschal einer Gefahr sozialen Abstiegs des wiedererkrankten Verletzten durch den letzten Entgeltausfall entgegenzuwirken ist (vgl BSG vom 30.3.1988 - 2 RU 52/87 = HV-Info 1988, 1325).
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17.09.2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist der Zeitpunkt des Beginns einer dem Kläger wegen eines am 08.11.2010 erlittenen Arbeitsunfalls zustehenden Verletztenrente. Die Beteiligten streiten darüber, ob für das Ende des Verletztengeldanspruchs i.S.d. § 72 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) allein auf die Hauptbeschäftigung des Klägers bei einem Getränkegroßhandel abzustellen ist, oder, wie die Beklagte meint, auch auf die Nebentätigkeit als Spinningtrainer, in der die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit länger andauerte.
Der 1970 geborene Kläger übte im Unfallzeitpunkt zwei Beschäftigungen aus. Hauptberuflich war er seit April 2002 als Fahrer bei einem Getränkegroßhandel versicherungspflichtig beschäftigt. Aus seiner Hauptbeschäftigung erzielte er im Zeitraum vom 01.11.2009 bis zum 31.10.2010 (Bl. 94-1 Verwaltungsakte der Beklagten - VA) ein steuerpflichtiges Bruttoentgelt von 36.770,37 €, davon 602,16 € steuerfreie Nachtzuschläge. Nebenberuflich übte der Kläger seit dem 01.12.2009 eine stundenweise (mit 21,00 € pro Stunde) entlohnte (vgl. 46-49 VA) und als geringfügige Beschäftigung pauschal besteuerte Nebentätigkeit als Spinningtrainer bei der Firma “H. W. und G.„ in O. aus und erzielte im genannten Zeitraum hieraus ein steuerpflichtiges Bruttoentgelt vom 3.028,52 € (Bl. 102 VA). Laut telefonischer Mitteilung vom 05.09.2011 (Bl. 99 VA) endete dieses Arbeitsverhältnis am Unfalltag.
Am 08.11.2010 stürzte der Kläger beim Treppenabstieg während der Arbeit in einem E.-Markt in F. und knickte mit dem rechten Fuß um. Er zog sich eine Weber C Fraktur rechts zu, welche im Rahmen eines stationären Aufenthalts im O. Klinikum vom 10.11.2010 bis 13.11.2010 operativ versorgt wurde.
In seiner Hauptbeschäftigung war der Kläger aufgrund dessen bis zum 29.05.2011 arbeitsunfähig. Eine Arbeits- und Belastungserprobung führte er ab dem 02.05.2011 durch. Seit dem 30.05.2011 arbeitete er in seinem Hauptberuf wieder vollschichtig, war allerdings nicht mehr als Fahrer eingesetzt, sondern als Staplerfahrer (Telefonnotizen vom 06.06.2011, Bl. 74 und 76 VA). Der behandelnde Arzt Professor Dr. R. teilte im Bericht vom 09.06.2011 (Bl. 84 VA) mit, dass er seit dem 30.05.2011 arbeitsfähig sei, allerdings noch Schmerzen im Sprunggelenk außenseitig habe. Dadurch könne er seine sonst durchgeführte Nebentätigkeit, bei der er Spinningkurse gebe, noch nicht durchführen. Mit einer Bewegungseinschränkung des oberen Sprunggelenkes von 0-10-30° bestehe ein Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v. H.
Nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums (08.11.2010 bis 19.12.2010) ließ die Beklagte an den Kläger durch die AOK S. O. aufgrund der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit in seiner Hauptbeschäftigung Verletztengeld vom 20.12.2010 bis 29.05.2011 in Höhe von insgesamt 9.722,79 € (Endabrechnung der AOK vom 31.05.2011, Bl. 75 VA) auszahlen. Diesbezüglich ist kein Bescheid ergangen.
Am 30.04.2012 (Vermerk Bl. 149 VA) teilte der Kläger der Beklagten telefonisch mit, nach zehn Serien Krankengymnastik bestehe immer noch eine erhebliche Bewegungseinschränkung im Sprunggelenk, welche ihm das Arbeiten als Spinningtrainer unmöglich mache. Er gehe davon aus, auch in Zukunft nicht mehr als Spinningtrainer tätig sein zu können. Der Beratungsarzt Dr. J. äußerte am 02.05.2012 ebenfalls, dass er eine solche Tätigkeit nicht mehr ausüben können werde. Ohne Gutachten könne ihm eine Gesamtvergütung für 7 Monate gewährt werden. Mit Schreiben vom 02.05.2012 (Bl. 151-1) teilte die Beklagte dem Kläger hierauf mit, dass mit einem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit als Spinningtrainer nicht zu rechnen sei und, nachdem qualifizierende Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht in Betracht kämen, beabsichtigt sei, die Zahlung von Verletztengeld m...