nicht rechtskräftig
Verfahrensgang
SG Stuttgart (Entscheidung vom 27.07.1998; Aktenzeichen S 8 KR 6077/98) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des erstinstanzlichen Urteils wie folgt gefaßt wird:
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 13. Oktober 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. November 1998 verurteilt, beim Kläger die Kosten für drei Viagra-Tabletten monatlich gegen ärztliche Verordnung ab November 2001 zu übernehmen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beklagte dem Kläger gegenüber die Kosten für drei Viagra-Tabletten monatlich ab November 2001 im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu übernehmen hat. Der am 28. Mai 1929 geborene Kläger ist seit August 1962 verheiratet. Der Kläger ist seit August 1947 bei der Beklagten versichert, und zwar seit 01. Juni 1992 als Rentner. Seine am 01. April 1940 geborene Ehefrau ist bei ihm familienversichert. Infolge eines Ende 1992 operierten Prostataleidens besteht beim Kläger eine erektile Dysfunktion. Seit 1994 ist der Kläger aufgrund eines Rezepts und einer ärztlichen Notwendigkeitsbescheinigung mit einem von der Beklagten zur Verfügung gestellten Erektionshilfegerät (Vakuumpumpe) von Osbon ErecAid (Preis: DM 882,75) als Hilfsmittel versorgt. Mit Schreiben vom 25. Juli 1998 wandte sich der Kläger erstmals an die Beklagte wegen "Bereitstellung des Medikaments Viagra als Sachleistung der Krankenkassen". Er schilderte seine Situation; er und seine Ehefrau verlangten die Bereitstellung des Medikaments Viagra als Sachleistung der GKV. Der Kläger bat die Beklagte eindringlich, im Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (BA) im August 1998 eine entsprechende Entscheidung herbeizuführen; wenn der BA auf seiner bisherigen Ablehnung beharre, werde er sofort nach Zulassung von Viagra in Deutschland Klage auf die Bereitstellung als Sachleistung erheben. Ein gleichlautendes Schreiben richtete der Kläger an den BA, das unter dem 14. August 1998 beantwortet wurde. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 10. August 1998 mit, die neugefassten und genehmigten Arzneimittel-Richtlinien des BA (AMRL) seien für sie verbindlich; deshalb sehe sie keine Möglichkeit, in seinem Fall die Kosten für Viagra übernehmen zu können. Nach Zulassung von Viagra in Deutschland am 01. Oktober 1998 verordnete der den Kläger behandelnde Urologe Dr. S dem Kläger dann am 07. Oktober 1998 vier Tabletten Viagra zu 50 mg; das Rezept enthielt den Zusatz, dass es nach § 12 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) nicht erstattungsfähig sei. Am 08. Oktober 1998 kaufte der Kläger das verordnete Medikament für DM 93,90 und beantragte die Erstattung. Danach erfolgten weitere Arzneimittelverordnungen durch Dr. S, jeweils über zwölf Tabletten zu 50 mg (12. November 1998), die der Kläger für DM 263,48 erwarb und bezahlte, bzw. zu 100 mg (Juli 1999, Dezember 1999, 04. Juli 2000, 21. November 2000 und 25. Juni 2001), die der Kläger für je DM 312,50 erwarb und gleichfalls bezahlte. Rezept und Apothekenrechnung hinsichtlich der ersten Verordnung reichte der Kläger mit Schreiben vom 08. Oktober 1998 z000mur Erstattung bei der Beklagten ein; aufgrund seiner Erkrankung, nämlich einer seit Jahren bestehenden erektilen Dysfunktion, erwarte er die Kostenerstattung, nachdem Viagra ab 01. Oktober 1998 auch in Deutschland zugelassen sei. Mit Bescheid vom 13. Oktober 1998 lehnte die Beklagte die Erstattung der Kosten in Höhe von DM 93,90 ab. Der BA befinde bei Neueinführung von Arzneimitteln über deren Verordnungsfigkeit in der kassenärztlichen Versorgung. Mit Beschluss vom 03. August 1998 habe dieser Ausschuß Arzneimittel zur Behandlung der erektilen Dysfunktion von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen. Zu diesen ausgeschlossenen Mitteln gehöre das Arzneimittel Viagra. An den Kosten für die von der kassenärztlichen Versorgung ausgeschlossenen Arzneimitteln dürfe sie sich nicht beteiligen. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, die Verweigerung von kassenärztlichen Leistungen, die notwendig, wirksam und durch den begrenzten Umfang auch wirtschaftlich seien und deren Qualität sowie Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprächen und die auch den medizinischen Fortschritt berücksichtigten, wie das Arzneimittel Viagra, sei rechtswidrig. Er legte auch die Probleme hinsichtlich Verwendung der Vakuumpumpe, um die erektile Dysfunktion zu überwinden, dar. Er führte aus, verantwortungsvoll, bewusst und gesund zu leben. Bei ihm schieden als Grund für seine Erkrankung selbstverschuldete Risikofaktoren, wie Rauchen und Trinken, aus. Der BA habe sich einseitig und dies überbewertend dem Wirtschaftlichkeitsgebot unterworfen. Der Ausschuß habe den Anspruch kranker Versicherter auf Leis...