Verfahrensgang
SG Berlin (Beschluss vom 06.05.2004; Aktenzeichen S 72 KR 920/04 ER) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 6. Mai 2004 aufgehoben und der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2004 zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.
Der Gegenstandswert wird für beide Instanzen auf jeweils 1.508,02 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 6. Mai 2004 ist gemäß §§ 172 Abs. 1 und 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig und begründet.
Zu Unrecht hat das Sozialgericht die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. April (richtig: August) 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2004 bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache angeordnet. Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ein solcher Fall einer kraft Gesetzes nicht bestehenden aufschiebenden Wirkung ist hier gegeben, weil es sich bei dem angefochtenen Bescheid um einen Beitragsbescheid handelt, für den nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG die aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes entfällt. Der gesetzlich vorgegebene Maßstab für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ergibt sich aus § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG. Hiernach soll in den Fällen des Abs. 2 Nr. 1 die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Diese Voraussetzungen sind indes im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Weder bestehen hinsichtlich der mit dem Bescheid vom 20. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2004 ausgesprochenen Beitragsnachforderung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit, noch ist eine besondere, die Antragstellerin unbillig belastende Härte im Sinne des Gesetzes ersichtlich.
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 28p Abs. 1 Satz 5 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches. Danach erlässt die Antragsgegnerin im Rahmen der ihr obliegenden Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe gegenüber den zur Zahlung verpflichteten Arbeitgebern. Die Entscheidung der Antragsgegnerin, Beiträge für tariflich geschuldeten, aber tatsächlich nicht gezahlten Stundenlohn zu fordern, ist nicht zu beanstanden. Denn für die Beitragspflicht und die Beitragshöhe ist allein das tariflich geschuldete, nicht aber das tatsächlich gezahlte Arbeitsentgelt maßgebend. Es gilt insoweit das Entstehungs- und nicht das Zuflussprinzip. Das tariflich geschuldete Entgelt führt unabhängig davon zur Beitragspflicht, ob es tatsächlich gezahlt worden ist. Unmaßgeblich ist auch, ob dieses tariflich geschuldete Entgelt von den Beschäftigten eingefordert wurde oder nicht (vgl. Urteile des Bundessozialgerichts vom 14. Juli 2004 – B 12 KR 1/04 R, B 12 KR 10/03 R, B 12 KR 7/03 R und B 12 KR 7/04 R, zitiert nach der Pressemitteilung Nr. 37/04 vom 15. Juli 2004 und Beschluss des Landessozialgerichts Berlin vom 9. August 2004 – L 9 B 86/04 KR ER –).
Soweit die Antragstellerin diese Beitragsnachforderung, die sich aus der Differenz der Beiträge zwischen tatsächlich gezahltem Stundenlohn und tariflichem Mindestlohn der einschlägigen für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge zur Regelung der Mindestlöhne im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ergibt, mit der Begründung angreift, dass sie den tariflichen Mindestlohn nicht unterschritten habe, weil sie ihren Arbeitnehmern unwiderrufbare Zulagen (Pünktlichkeits-, Anwesenheits- und Leistungsprämien) gehaltswirksam gezahlt habe und diese Zulagen auf den tariflichen Stundenlohn anzurechnen seien, vermag sie mit diesem Vorbringen nicht durchzudringen. Denn ausweislich der Verwaltungsakte der Beklagten hat zumindest ein Vertragspartner der genannten Tarifverträge, die Industriegewerkschaft Bauen- Agrar-Umwelt, auf ausdrückliche Nachfrage der Antragsgegnerin dieser mit Schreiben vom 15. Dezember 2003 mitgeteilt, dass die von der Antragstellerin genannten Prämien, ebenso wie andere Zuschläge oder Prämien (Mehrarbeits-, Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge, Akkord- und Qualitätsprämien u.a.) keine Bestandteile des Mindestlohnes und damit nicht auf diesen anrechnungsfähig seien, sondern zusätzlich zu diesem Mindestlohn zu zahlen seien. Vor diesem Hintergrund erweist sich der angefochtene Bescheid bei summarischer Prüfung nicht als offensichtlich rechtswidrig, was bereits für ein Überwiegen des öffentlichen Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin spricht....