Entscheidungsstichwort (Thema)
(Teil-)Auflösung eines länderübergreifenden Krankenkassenverbandes
Orientierungssatz
Der Mitgliedschaft in einem Landesverband kann sich keine Kasse entziehen. Sollte die Satzung ein Kündigungsrecht der einzelnen Krankenkassen vorsehen, so wäre dies rechtswidrig.
Das Gleiche dürfte für den länderübergreifenden Landesverband nach § 207 Abs 5 S 2 SGB 5 gelten.
Gründe
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Antragsgegnerinnen (die drei Betriebskrankenkassen mit Sitz in Sachsen-Anhalt) durch eine wirksame Kündigung aus dem BKK-Landesverband Ost, dem Antragsteller, ausgeschieden sind.
Der Antragsteller ist ein Zusammenschluss der Landesverbände der Betriebskrankenkassen der Bundesländer Berlin, Brandenburg, Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Im Klageverfahren begehrt er die Feststellung, dass die Kündigungen der Antragsgegnerinnen vom 16. und 28. Dezember 1998 unwirksam sind. Im Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt er, vorläufig bis zur Beendigung des Hauptsacheverfahrens festzustellen, dass die Antragsgegnerinnen Mitglieder bei ihm sind Klage und Eilantrag sind erfolglos geblieben (Beschluss und Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. Dezember 1999). Mit Beschwerde und Berufung verfolgt der Antragsteller seine Anträge weiter.
Die zulässige Beschwerde ist mit dem aus dem Tenor ersichtlichen Inhalt begründet.
Entsprechend § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Zwischen den Beteiligten ist ein Rechtsverhältnis im Sinne dieser Vorschrift streitig. Der Antragsteller hält die Kündigung der Antragsgegnerinnen, mit der diese aus dem im Jahre 1995 gemeinsam gebildeten Landesverband zum 31. Dezember 1999 ausscheiden wollen, für unwirksam.
Nach § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 938 Abs. 1 ZPO bestimmt das Gericht nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zweckes erforderlich sind. Der von dem Antragsteller gestellte Antrag geht über das Erforderliche hinaus. Das Bestehen oder Nichtbestehen einer Mitgliedschaft muss der Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten bleiben; denn eine vorläufige Entscheidung im Sinne des Antragstellers hätte einen statusverändernden Inhalt und würde sich bei einer entgegengesetzten Entscheidung in der Hauptsache nicht rückgängig machen lassen. Insoweit kann die Beschwerde daher keinen Erfolg haben.
Demgegenüber werden die Belange des Antragstellers dadurch ausreichend gewahrt, dass die Antragsgegnerinnen gehindert werden, durch einen Landesverband im Land Sachsen-Anhalt die für einen solchen Verband typischen Rechte, wie z. B. zum Abschluss von Gesamtverträgen, wahrzunehmen. Die Antragsgegnerinnen waren daher zu verpflichten, es zu unterlassen, einen Landesverband der Betriebskrankenkassen zu bilden. Einen Anordnungsanspruch in diesem Sinne hat der Antragsteller glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Ob die Auflösung eines nach § 207 Abs. 5 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch -- SGB V -- gebildeten Landesverbandes ebenso wie der Zusammenschluss von einer Zustimmung der für die Sozialversicherung zuständigen obersten Verwaltungsbehörde(n) der Länder abhängt, ist eine schwierige Rechtsfrage, die im Eilverfahren nicht mit hinreichender Sicherheit entscheiden werden kann. Immerhin sprechen aber sehr gewichtige Umstände für eine Mitwirkung der Behörde.
Dass die Krankenkassen eines Bundeslandes, die einem länderübergreifenden Verband nach § 207 Abs. 5 SGB V angehören, ein Kündigungsrecht haben, erscheint zweifelhaft. Nach einer summarischen Prüfung sprechen erhebliche Gründe dagegen. Nach § 207 Abs. 1 SGB V bilden die Krankenkassen in den einzelnen Kassenarten Landesverbände. Zu deren Existenz bedarf es keines konstituierenden Aktes der Mitgliedskassen, ein Tätigwerden setzt aber die Bildung von Organen und die Aufstellung einer Satzung voraus (vgl. Krauskopf, Soziale Krankenversicherung -- Pflegeversicherung, SGB V § 207 Rz. 2). Der Mitgliedschaft in einem Landesverband kann sich keine Kasse entziehen. Sollte die Satzung ein Kündigungsrecht der einzelnen Krankenkassen vorsehen, so wäre dies rechtswidrig.
Das Gleiche dürfte für den länderübergreifenden Landesverband nach § 207 Abs. 5 Satz 2 SGB V gelten. Auf Grund des rechtswirksamen Zusammenschlusses stellt dieser nach seiner Funktion eine gleiche Körperschaft dar wie der Landesverband nach § 207 Abs. 1 SGB V mit der Folge, dass nunmehr die Kündigung durch einzelne Mitgliedskassen nicht mehr möglich ist Die Ansicht der Antragsgegnerinnen, die beteiligten Krankenkassen hätten genau das getan, was jedem Mitglied eines Verbandes gestattet sein müsse, nämlich die Mitgliedschaft zu kündigen, dürfte rechtsirrtümlich sein. Dem Eintritt in einen Verband kann als konträrer Akt eine...