rechtskräftig
Verfahrensgang
SG Berlin (Entscheidung vom 21.12.2001; Aktenzeichen S 75 KR 3737/01 ER) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 21. Dezember 2001 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die notwendigen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten.
Gründe
Der Senat hatte über die Beschwerde der Antragsgegnerin erneut zu entscheiden. Zwar war zunächst die Beschwerde durch Beschluss des Senats vom 29. Mai 2002 zurückgewiesen worden, das Verfahren war hierdurch zunächst rechtskräftig beendet (vgl. § 177 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Durch Beschluss vom 22. November 2002 hat jedoch die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (1 BvR 1586/02) den Beschluss des Landessozialgerichts vom 29. Mai 2002 aufgehoben und die Sache an das Landessozialgericht zurückverwiesen. Hierdurch sind der Beschluss des Sozialgerichts vom 21. Dezember 2001 wieder wirksam und die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen diesen Beschluss wieder anhängig geworden. Die Antragsgegnerin hat ihre Beschwerde ausdrücklich aufrechterhalten.
Die Beschwerde war nach erneuter Sachprüfung unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22. November 2002 zurückzuweisen, weil das Sozialgericht die beantragte einstweilige Anordnung zu Recht erlassen hat. Zwar ist weiterhin zweifelhaft, ob die Voraussetzungen des § 86b Abs. 2 SGG vorliegen, d.h. ob der Antragsteller einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat. Jedoch war die einstweilige Anordnung auf Grund einer Folgenabwägung zu erlassen. Aus dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. der Rechtschutzgarantie aus Artikel 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgt, dass im vorliegenden Fall eine Folgenabwägung vorzunehmen war, welche die verfassungsrechtlich geschützten Belange des Antragstellers hinreichend zur Geltung bringt. Dabei waren die Grundsätze anzuwenden, die das Bundesverfassungsgericht entwickelt hat, wenn von der Entscheidung in einem gerichtlichen Verfahren mittelbar Lebensgefahr für den einzelnen ausgehen kann (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. November 2002, 1 BvR 1586/02).
Die Zweifel am Bestehen eines Anordnungsanspruches, der im Grundsatz für eine zusprechende Entscheidung nach § 86b Abs. 2 SGG erforderlich wäre, gründen sich darauf, dass der Antragsteller auch nach bisherigem Aktenstand die Voraussetzungen für die Kostenübernahme für das begehrte, intravenös ambulant zu verabreichende Medikament Ilomedin nicht hat glaubhaft machen können. Wie das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 19. März 2002 (B 1 KR 37/00 R) ausgeführt hat, setzt die Verordnungsfähigkeit eines Medikaments auf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen u.a. voraus, dass auf Grund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg zu erzielen ist. In Fällen wie den vorliegenden, in der eine Erweiterung der Zulassung für die streitbefangene Indikation nicht beantragt und auch nicht vorgesehen ist, kann eine Verordnungsfähigkeit nur dann bestehen, wenn außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlich sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und auf Grund deren in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht. Hierbei kann weiterhin offen bleiben, ob inzwischen außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen. Der Antragsteller beruft sich insoweit auf neue Studien, die auch möglicherweise erst nach der vorangegangenen Entscheidung des Senats vom 29. Mai 2002 veröffentlicht worden sind. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben, denn jedenfalls ist bislang nicht glaubhaft gemacht, dass in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem Sinne besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg zu erzielen ist. Dies würde nämlich voraussetzen, dass im Rahmen der ambulanten Behandlung die nahezu einhellige Meinung besteht, dass das Medikament Ilomedin in seiner intravenösen Verabreichungsform als wirksam und unbedenklich zu betrachten ist. Hierzu reichen wissenschaftliche Studien ebenso wenig aus wie Erfahrungsberichte von Kliniken, denn es kommt nicht auf die stationäre, sondern in diesem Zusammenhang allein auf die ambulante Verabreichung des Medikaments an. Eine Information hierüber, dass eine größere Zahl von behandelnden Ärzten die intravenöse Verabreichung des Medikaments Ilomedin im Rahmen der ambulanten Behandlung für sinnvoll und verantwortbar hält, liegt dem Senat bislang nicht vor. Somit ist der Anordnungsanspruch gegenwärtig nicht glaubhaft...