Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. kein Anspruch auf Versorgung mit Immunglobulinen bei Multipler Sklerose im Wege des Off-Label-Use. kein Anordnungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung
Leitsatz (amtlich)
Ein Anspruch auf Einsatz von Immunglobulinen zur Behandlung der schubweise auftretenden Multiplen Sklerose im Rahmen eines ausnahmsweise zulässigen Off-Label-Use scheitert auch weiterhin daran, dass auf Grund der Datenlage keine begründete Aussicht besteht, dass mit den Präparaten dieser Arzneimittelgruppe ein Behandlungserfolg erzielt werden kann.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 31. August 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 31. August 2011 ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat rechtsfehlerfrei den Antrag der Antragstellerin, die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, sie von den Kosten für die ab 10. Mai 2011 erfolgte Behandlung mit Immunglobulin freizustellen und sie für die Zukunft mit ärztlich verordnetem Immunglobulin zur Behandlung der Multiplen Sklerose zu versorgen, abgelehnt.
1.) Soweit die Antragstellerin die Erstattung der ihr für die Beschaffung von Immunglobulinen bis zur Entscheidung des Senats entstandenen Kosten begehrt, fehlt ihr schon ein Anordnungsgrund. In einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beurteilt sich das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet; im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung. Dies folgt daraus, dass ein Anordnungsgrund ein eiliges Regelungsbedürfnis erfordert, das regelmäßig nur für die Zukunft besteht. Dies bedeutet aber zugleich, dass die Bejahung eines Anordnungsgrundes grundsätzlich ausscheidet, soweit Leistungen für die Vergangenheit begehrt werden. Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Artikel 19 Abs. 4 GG kann zwar in besonderen Fällen ausnahmsweise auch die Annahme eines Anordnungsgrundes für zurückliegende Zeiträume gebieten, wenn andernfalls bis zur Entscheidung im Verfahren der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden geschaffen worden sind, die sich durch eine - stattgebende - Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht oder nicht hinreichend rückgängig machen lassen. Derartige Umstände sind hier nicht ersichtlich. Insbesondere ist es nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes in Verfahren wie dem vorliegenden, Rechtsschutzsuchenden die Mittel zur Begleichung von in der Vergangenheit entstandenen privaten Schulden zu beschaffen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschluss vom 30. Januar 2008, - L 9 B 600/07 KR ER -, zitiert nach juris). Von der Antragstellerin (für bereits abgelaufenen Zeiträume) gegenüber Dritten eingegangene Verbindlichkeiten begründen grundsätzlich selbst dann keine wesentlichen Nachteile i. S. d. § 86 b Abs. 2 SGB V, wenn sie ihr (aktuelles) Leistungsvermögen übersteigen sollten. Soweit die Gläubiger nicht bereit sein sollten, der Antragstellerin die geschuldeten Zahlungen bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu stunden, wird diese durch §§ 708 ff. und 850 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) ausreichend geschützt. Denn § 86 b Abs. 2 SGG bezweckt grundsätzlich nicht, den durch diese Schuldnerschutzvorschriften gewährten Schutz des Vermögens der Antragstellerin zu erweitern.
2.) Den Anspruch der Antragstellerin, sie in Zukunft mit ärztlich verordnetem Immunglobulin zur Behandlung der Multiplen Sklerose zu versorgen, hat das Sozialgericht zutreffend wegen Fehlens eines Anordnungsanspruchs abgelehnt. Der Senat nimmt insoweit zur weiteren Begründung seiner Entscheidung zur Vermeidung von Wiederholungen auf die außerordentlich sorgfältige Begründung des angefochtenen sozialgerichtlichen Beschlusses Bezug, in der sich das Sozialgericht mit nahezu allen für den Fall maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Problemen in jeder Weise zutreffend und überzeugend auseinander gesetzt hat, und macht sich diese Begründung für das Beschwerdeverfahren zu eigen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Denn mit der Begründung der Beschwerde werden keine Gesichtspunkte vorgetragen, die eine andere Entscheidung gebieten würden.
a) Insbesondere scheitert ein Einsatz von Immunglobulinen zur Behandlung der bei der Antragstellerin schubweise auftretenden Multiplen Sklerose im Rahmen eines ausnahmsweise zulässigen Off-Label-Use schon daran, dass auf Grund der Datenlage keine begründete Aussicht besteht, dass mit dem der Antragstellerin verordneten Präparat ein Behandlungserfolg erzielt werden kann. Insoweit nimmt der Senat ergänzend auf das Urteil des 7. Senats des LSG Berlin- Brandenburg vom 14. September 2009 (L 7 KA 135/06, zitiert nach juris) Bezug, dessen Ausführungen zu dieser Voraussetz...