Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Ausschluss der Beschwerde gegen die Entscheidung des Sozialgerichts im Vergütungsfestsetzungsverfahren. Nichtanwendbarkeit der Regelungen des RVG zur Beschwerde
Leitsatz (amtlich)
Die Beschwerdemöglichkeit nach § 56 Abs 2 S 1 iVm § 33 Abs 3 RVG findet im sozialgerichtlichen Verfahren keine Anwendung.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 19. Juli 2011 wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
Die am 2. September 2011 eingegangene Beschwerde des Antragstellers gegen den ihm am 18. August 2011 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 19. Juli 2011, mit dem seine Erinnerung gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des Sozialgerichts vom 20. September 2011 zurückgewiesen worden ist, ist gemäß § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 572 Abs. 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht statthaft ist.
Gemäß § 172 Abs. 1 SGG findet die Beschwerde an das Landessozialgericht gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist. Eine solche abweichende Bestimmung enthält § 178 Satz 1 SGG. Danach kann gegen die Entscheidungen des ersuchten oder beauftragten Richters oder des Urkundsbeamten binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet. Demnach sind Beschwerden gegen Beschlüsse des Gerichts auf Erinnerungen gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten ausgeschlossen.
Die Beschwerdemöglichkeit nach § 56 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 33 Abs. 3 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) findet im sozialgerichtlichen Verfahren keine Anwendung (ebenso Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. März 2011, L 14 SF 205/10 B E; Beschluss vom 8. März 2011, L 10 SF 186/10 B E; Beschluss vom 8. März 2011, L 6 SF 236/09 B; Beschluss vom 2. März 2010, L 26 B 188/08 SF; Beschluss vom 21. Januar 2009, L 5 B 210/08 SF; Beschluss vom 24. Februar 2009, L 15 SF 9/09 B; Beschluss vom 23. Juli 2008, L 18 B 76/08 SF; Beschluss vom 23. Juli 2008, L 18 B 76/08 SF; Beschluss vom 20. Juni 2008, L 1 B 60/08 SF; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 14. Juni 2007, L 13 B 4/06 AS SF; Beschluss vom 28. September 2006, L 8 B 4/06 SO SF; a. A. Landessozialgericht Saarland, Beschluss vom 29. Januar 2009, L 1 B 16/08 R; Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 17. Juli 2008, L 6 B 93/07; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. Januar 2008, L 1 B 35/07 AS). Zwar gelten die Regelungen des RVG allgemein für die Vergütung rechtsanwaltlicher Tätigkeiten, also auch für diejenige im sozialgerichtlichen Verfahren (§ 1 RVG). Jedoch sind die §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG hiervon auszunehmen. § 172 SGG regelt die Statthaftigkeit der Beschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren abschließend. Wegen des Wortlauts des § 172 Abs. 1 SGG (“in diesem Gesetz„) ist der Beschwerdeausschluss nach § 178 Satz 1 SGG ebenfalls abschließend. Er könnte nur durch eine Regelung im SGG geändert werden. Dort findet sich jedoch keine Vorschrift, die die Anwendung der §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG anordnet. Das gefundene Ergebnis wird aus Gründen der Gesetzessystematik auch durch § 11 Abs. 3 RVG untermauert. Das Verfahren nach § 11 RVG betrifft zwar lediglich die Festsetzung der Vergütung im Verhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und dem Mandanten (BT-Drucksache 15/1971, S. 188). In 11 Abs. 3 RVG heißt es jedoch ausdrücklich, dass im Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Finanzgerichtsbarkeit und der Sozialgerichtsbarkeit die für die jeweilige Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften über die Erinnerung im Kostenfestsetzungsverfahren entsprechend gelten. Ob § 11 Abs. 3 RVG auch auf die Festsetzung der Vergütung aus der Staatskasse anwendbar ist, weil diese Regelung zu den “Allgemeinen Vorschriften„ des RVG gehört, kann dahinstehen. Ist jedenfalls im Vergütungsfestsetzungsverfahren zwischen dem Rechtsanwalt und dem Mandanten keine Beschwerde gegen die Entscheidung des Sozialgerichts möglich, würde es zu einem Wertungswiderspruch führen, wenn sie im Vergütungsfestsetzungsverfahren zwischen dem Rechtsanwalt und der Staatskasse zulässig wäre. Im Übrigen können auch nur durch den Beschwerdeausschluss unterschiedliche Entscheidungen im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 197 SGG und im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach den §§ 55, 56 RVG vermieden werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Satz 3 RVG, dessen Anwendung nicht durch die §§ 172 Abs. 1, 178 Satz 1 SGG ausgeschlossen ist.
Dieser Beschluss kann gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
Fundstellen