Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflicht des Versicherten zur Verfügungstellung von Lichtbild und Unterschriftsleistung auf der Krankenversicherten-Karte
Orientierungssatz
1. Die Pflicht des Versicherten zur Angabe bzw. zur Verfügungstellung von Lichtbild und Unterschriftsleistung auf der elektronischen Krankenversicherungskarte verstößt nicht gegen dessen Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 GG.
2. Die Einschränkung dieses Rechts muss durch hinreichende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt sein. Dies setzt voraus, dass das gewählte Mittel zur Erreichung des Zwecks geeignet und erforderlich ist und bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der rechtfertigenden Gründe die Grenze des Zumutbaren noch gewahrt ist.
3. Die Identifikationsfunktion des Lichtbildes auf der Versichertenkarte wird benötigt, um eine missbräuchliche Verwendung möglichst einzuschränken. Damit überwiegt des Allgemeininteresse an einer Funktionsfähigkeit des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung im Verhältnis zur rechtlichen Betroffenheit des Versicherten.
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
Kosten für dieses Eilverfahren sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der Eilantrag, den der Kläger zusammen mit der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin (SG) vom 7. Januar 2014 (Berufungsverfahren Az.: L 1 KR 18/14) gestellt hat, ist zulässig. Er ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Gericht der Hauptsache nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft.
Dem Eilantrag muss aber Erfolg versagt bleiben. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor:
Nach § 86b Abs. 2 S. 1 SGG ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung zulässig, wenn andernfalls die Gefahr besteht, dass ein Recht des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (sog. Regelungsanordnung).
Voraussetzung sind das Bestehen eines Anordnungsanspruches und das Vorliegen eines Anordnungsgrundes.
Der Anordnungsanspruch bezieht sich dabei auf den geltend gemachten materiellen Anspruch, für den vorläufiger Rechtschutz begehrt wird. Die erforderliche Dringlichkeit betrifft den Anordnungsgrund. Die Tatsachen, die den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch begründen sollen, sind darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung).
Entscheidungen dürfen dabei grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Drohen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (ständige Rechtsprechung des Senats, siehe auch Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 596/05 -).
Hier ist bereits ein Anordnungsanspruch fraglich, soweit sich der Antragsteller dagegen wendet, die elektronische Gesundheitskarte (eGK) als Krankenversichertenkarte mit Lichtbild verwenden zu müssen.
Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die entsprechende Verpflichtung rechtswidrig ist:
Der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmungsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG), welcher in der Pflicht zur Angabe bzw. zur Verfügung Stellung von Lichtbild und Unterschriftsleistung sowie der zur Identifikation dienenden Angaben von Namen, Geburtsdatum, Geschlecht, Anschrift, und Versichertennummer nach §§ 291 Abs. 2, 291a Abs. 2 S. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zu sehen ist, dürfte gerechtfertigt sein.
Zwar wurzelt das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Bürgers im allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem Grundrecht auf Menschenwürde und gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Der Einzelne hat jedoch kein Recht im Sinne einer absoluten, uneinschränkbaren Herrschaft über “seine„ Daten. Er ist vielmehr eine sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltende, auf Kommunikation angewiesene Persönlichkeit. Informationen, auch soweit sie personenbezogen sind, stellen ein Abbild sozialer Realität dar, das nicht ausschließlich den Betroffenen allein zugeordnet werden kann. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verlangt insoweit, dass die Einschränkung des Rechts von hinreichenden...