Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten. Entscheidungsreife. geringfügige Erfolgsaussicht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussicht iS des § 114 S 1 ZPO ist der Zeitpunkt der Entscheidungsreife maßgeblich. Auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung kommt es insofern nicht an. Erkenntnisse, die sich nach dem Zeitpunkt der Entscheidungsreife und vor der gerichtlichen Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ergeben, sind für die Entscheidung zur Prozesskostenhilfe ohne Bedeutung. Die Entscheidungsreife tritt erst ein, wenn der vollständige Antrag auf Prozesskostenhilfe in der durch § 117 Abs 1 ZPO vorgegebenen Form einschließlich der gem § 117 Abs 2 ZPO erforderlichen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und der nötigen Belege eingegangen ist und das Gericht dem Prozessgegner gem § 118 Abs 1 S 1 ZPO angemessene Zeit zur Stellungnahme und erforderlichenfalls den Beteiligten gem § 118 Abs 2 ZPO die Gelegenheit gegeben hat, ihre tatsächlichen Behauptungen glaubhaft zu machen (vgl LSG München vom 19.3.2009 - L 7 AS 64/09 B PKH).

2. Gegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kann nicht eingewandt werden, dass das Begehren lediglich in einem geringfügigen Umfang (hier 0,01 EUR) hinreichende Aussicht auf Erfolg habe, sofern es sich bei dem Streitgegenstand nicht insgesamt um einen Bagatellbetrag handelt.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 5. Januar 2010 aufgehoben. Dem Kläger wird für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmungen unter Beiordnung von Rechtsanwalt C L bewilligt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die am 19. Februar 2010 eingegangene Beschwerde des Klägers gegen den ihm am 19. Januar 2010 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 5. Januar 2010, mit dem der Antrag auf Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts abgelehnt worden ist, hat Erfolg.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der hilfebedürftige Kläger hat aus § 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit den §§ 114 Satz 1, 121 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) einen Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Rechtsanwalts, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erschein, wobei die Beiordnung als erforderlich angesehen wird.

Der Kläger begehrt mit seiner am 15. Juni 2009 beim Sozialgericht erhobenen Klage, den Beklagten unter Aufhebung des Überprüfungsbescheides vom 25. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2009 zu verpflichten, den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 2. Juli 2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 5. Oktober 2009 zurückzunehmen. Dem Kläger und seiner mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Lebensgefährtin wurden mit Bescheid vom 6. September 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. Dezember 2007 bis zum 31. Mai 2008 bewilligt. In den Monaten März und April 2008 erzielten die beiden Arbeitsentgelte aus einem jeweils am 21. März 2008 begonnenen Beschäftigungsverhältnis. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 2. Juli 2008 wurde die Leistungsbewilligung des Klägers für die Zeit vom 1. März 2008 bis zum 30. April 2008 teilweise aufgehoben und Leistungen in Höhe von 642,78 EUR von ihm zurückgefordert. Hiergegen legte der Kläger keinen Widerspruch ein. Am 7. Januar 2009 beantragte er jedoch die Überprüfung des genannten Bescheides. Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 25. Februar 2009 ab. Seinen am 5. März 2009 eingelegten Widerspruch begründete der Kläger unter anderem damit, dass die ursprüngliche Leistungsbewilligung insoweit fehlerhaft gewesen sei, als der Beklagte die berücksichtigte Warmwasserpauschale zu hoch veranschlagt habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2009 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klage hat der Kläger damit begründet, dass es dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid an hinreichender Bestimmtheit fehle. Zudem verwies er nochmals auf die bei der ursprünglichen Leistungsbewilligung nach seiner Meinung zu hoch angesetzte Warmwasserpauschale und machte in diesem Zusammenhang auch höhere Regelleistungen geltend. Im Übrigen könne aus Gründen des Vertrauensschutzes keine Rückforderung von Leistungen erfolgen. Der Beklagte hat mit zwei Änderungsbescheiden vom 5. Oktober 2009 für die Zeit vom 1. März 2008 bis zum 30. April 2008 höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung bewilligt und den Aufhebungs- und Rückforderungsbetrag auf 509,62 EUR verringert.

Die Klage hatte zu dem maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. November 2008, L 28 B 1978/08 AS PKH; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. März 2010, L 6 B ...

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