Entscheidungsstichwort (Thema)

Kosten der Unterkunft. kein Anordnungsgrund. Andordnungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf höhere Leistungen für die Kosten der Unterkunft. Hinreichende Erfolgsaussicht als Voraussetzung eines Anspruchs auf Prozesskostenhilfe für ein Beschwerdeverfahren. Neuer Streitgegenstand im Beschwerdeverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf höhere Leistungen für die Kosten der Unterkunft besteht jedenfalls dann noch keine besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund), wenn noch keine Räumungsklage anhängig ist.

2. Prozesskostenhilfe für ein Beschwerdeverfahren ist abzulehnen, wenn für die in beiden Instanzen gestellten Anträge die hinreichende Erfolgsaussicht fehlt.

3. Über einen Antrag, der in erster Instanz nicht Streitgegenstand war, kann im Beschwerdeverfahren nicht entschieden werden.

 

Orientierungssatz

Ist lediglich die fristlose Kündigung der Wohnung ausgesprochen, aber Räumungsklage noch nicht erhoben, so fehlt es am erforderlichen Anordnungsgrund in Gestalt eines unaufschiebbaren eiligen Regelungsbedürfnisses zur Bewilligung von Kosten der Unterkunft durch Erlass einer einstweiligen Anordnung. Dem Antragsteller droht nämlich gegenwärtig weder Wohnungs- noch gar Obdachlosigkeit. Selbst im Fall einer Räumungsklage enthält § 22 Abs. 5 und 6 SGB 2 Regelungen zur Sicherung der Unterkunft. Damit ist dem Hilfebedürftigen ein Abwarten des Hauptsacheverfahrens zumutbar.

 

Normenkette

SGG § 86b Abs. 2 S. 2, §§ 29, 73a Abs. 1 S. 1, § 157 S. 1; ZPO § 114 S. 1; SGB II § 22 Abs. 5 Sätze 1-2, Abs. 6

 

Tenor

Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 30. Juni 2009 werden zurückgewiesen.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 3. August 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Verfahren vor dem Landessozialgericht nicht zu erstatten.

Der Antrag der Antragsteller auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Beschwerden der Antragsteller, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren nur noch insoweit weiter verfolgen, als sie erstreben, den Antragsgegner im Wege einer gerichtlichen Regelungsanordnung iSv § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu verpflichten, ihnen für die Zeit vom 1. April 2009 bis 31. August 2009 über die bewilligten Kosten der Unterkunft (KdU) iHv monatlich 54,75 € hinaus weitere KdU iHv monatlich 1.467,77 € abzüglich der Warmwasserpauschalen zu gewähren, und mit der sich die Antragsteller gegen die Ablehnung der beantragten Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) wenden, sind nicht begründet.

Für die begehrte Anordnung fehlt es bereits an einem Anordnungsgrund in Gestalt eines unaufschiebbar eiligen Regelungsbedürfnisses. Den Antragstellern ist ein Abwarten auf die Entscheidung im bereits anhängigen Hauptsacheverfahren jedenfalls derzeit schon deshalb zumutbar, weil ihnen gegenwärtig weder Wohnungs- noch gar Obdachlosigkeit und damit auch keine nicht mehr rückgängig zu machenden Nachteile drohen. Für die behauptete gegenwärtige existenzielle Notlage sind keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich. Eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses ist zwar unter dem 30 Juli 2009 ausgesprochen, jedoch eine Räumungsklage noch nicht erhoben worden. Selbst im Fall einer Räumungsklage enthalten § 22 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 und Abs. 6 Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - Regelung en zur Sicherung der Unterkunft (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. März 2007 - 1 BvR 535/07 - nicht veröffentlicht). Ob den Antragstellern der geltend gemachte Anspruch in der Sache zusteht, kann daher dahinstehen.

Wegen des Fehlens der erforderlichen Erfolgsaussicht hat das Sozialgericht auch zu Recht den Antrag der Antragsteller auf Bewilligung von PKH abgelehnt (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung - ZPO -).

Der mit Schriftsatz vom 3. August 2009 erstmals gestellte Antrag der Antragsteller, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen (Regel-)Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab 23. April 2009 zu gewähren, ist mangels instanzieller Zuständigkeit des Landessozialgerichts (vgl. § 29 SGG) unzulässig und war mithin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Landessozialgericht beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Im PKH-Beschwerdeverfahren sind Kosten kraft Gesetzes nicht zu erstatten (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung der Prozessbevollmächtigten der Antragsteller war mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Beschwerde abzulehnen (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. mit § 114 Satz 1 ZPO).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2208873

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