Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld 1: Sperrzeit wegen Kündigung eines Beschäftigungsverhältnisses. Anforderungen an die Annahme eines wichtigen Grundes zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses wegen Aufnahme eines Studiums bzw. wegen Eheschließung

 

Orientierungssatz

1. Die Aufnahme eines Studiums kann ein wichtiger Grund zur Auflösung eines Arbeitsverhältnisses sein, welcher der Verhängung einer Sperrzeit gemäß § 144 SGB 3 bezüglich eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld entgegensteht. Dies gilt allerdings nur dann, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme des Studiums erfolgt und dabei keine vermeidbare Zeit der Arbeitslosigkeit entsteht.

2. Die Absicht, eine Ehe zu begründen und deshalb den Wohnort zu wechseln genügt nur dann als wichtiger Grund für die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses, der die Verhängung einer Sperrzeit gemäß § 144 SGB 3 bezüglich eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld entgegensteht, wenn die Eheschließung innerhalb der Kündigungsfrist des Beschäftigungsverhältnisses vorgesehen ist.

3. Die Absicht, eine eheähnliche Gemeinschaft erstmalig herzustellen und dazu den Wohnort zu wechseln, stellt keinen wichtigen Grund zur Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses dar, der die Verhängung einer Sperrzeit bezüglich des Anspruchs auf Arbeitslosengeld verhindert.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 4. Juli 2011 aufgehoben.

Dem Kläger wird für das Verfahren bei dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten bewilligt.

 

Gründe

Die Beschwerde des - bedürftigen - Klägers ist begründet. Ihm ist für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seiner Bevollmächtigten zu bewilligen (vgl § 73a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - iVm § 114 Zivilprozessordnung - ZPO -).

Die erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage hat schon deshalb hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil zur abschließenden Beurteilung der Sach- und Rechtslage noch weitere Amtsermittlungen (vgl § 103 SGG) des Sozialgerichts (SG) erforderlich sein werden. Die hinreichende Erfolgsaussicht konnte und kann der Klage daher bislang nicht abgesprochen werden.

Gegenstand des Rechtsstreits sind hier der so genannte Sperrzeitbescheid vom 24. August 2009 und der mit diesem Bescheid eine Einheit bildende Bewilligungsbescheid vom 25. August 2009 idF des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2009, mit dem die Beklagte die Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg) vom 1. Juli 2009 bis 22. September 2009 abgelehnt und eine Minderung der Anspruchsdauer von 90 Tagen verfügt hat. Nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) in der hier maßgebenden Fassung des Gesetzes vom 23. Dezember 2003 (BGBl I S. 2848) tritt eine Sperrzeit ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und er dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe), ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Die Dauer der Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe beträgt nach § 144 Abs. 3 Satz 1 SGB III zwölf Wochen.

Zwar ist davon auszugehen, dass der Kläger durch die Kündigung zum 30. Juni 2009 sein Beschäftigungsverhältnis gelöst und hierdurch seine Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt hat, denn es lagen keine konkreten Anhaltspunkte für einen sicheren Anschlussarbeitsplatz vor, die über bloße Hoffnungen und Erwartungen hinausgegangen wären (vgl zu den insoweit zu stellenden Anforderungen BSG SozR 4100 § 119 Nr 28).

Bislang ist aber nicht abschließend zu beurteilen, ob sich der Kläger auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses auf einen wichtigen Grund berufen kann. Es bedarf hierzu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts durch das SG. Fest steht bislang lediglich, dass sich der Kläger nicht deshalb auf einen wichtigen Grund berufen kann, weil er mit seiner Partnerin einen gemeinsamen Hausstand in B begründen wollte.

Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines wichtigen Grundes wegen einer geplanten Eheschließung und eines Zuzugs zum Ehegatten liegen ersichtlich nicht vor. Nach den hierzu entwickelten Grundsätzen ist der Zuzug zum Ehegatten als wichtiger Grund für die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses anzuerkennen, wenn der Arbeitslose seine Arbeitsstelle von der gemeinsamen Wohnung aus nicht zumutbar erreichen kann (vgl BSGE 43, 269, 273 = SozR 4100 § 119 Nr 2). Der Zuzug zum Partner kann indes auch schon dann einen wichtigen Grund bilden, wenn die Ehe noch nicht geschlossen ist, jedoch der Arbeitnehmer bei Ausspruch seiner Kündigung davon ausgehen kann, dass die Eheschließung bis zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erfolgt (vgl BSGE 64, 202, 204 = SozR 4100 § 119...

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