Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. vorläufige Zahlungseinstellung. Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit. Nachzahlung. Vorläufige Einstellung von Leistungen des SGB 2, einstweiliger Rechtsschutz, Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit
Orientierungssatz
1. Erbringt ein Leistungsträger des SGB 2 bindend festgestellte Leistungen nicht, so kann und muss der Betroffene seine Ansprüche im Eilfall im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durchsetzen.
2. Laufende Leistungen des SGB 2 können ohne Erteilung eines Bescheides vorläufig eingestellt werden, wenn der Sozialleistungsträger Kenntnis von Tatsachen erhält, die kraft Gesetzes zum Ruhen oder zum Wegfall des Anspruchs führen und wenn deshalb der bewilligende Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben ist.
3. Eine vorläufig eingestellte laufende Leistung ist unverzüglich nachzuzahlen, soweit der Bewilligungsbescheid nicht zwei Monate nach der vorläufigen Zahlungseinstellung nicht mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben worden ist.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 22. November 2007 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe
Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 22. November 2007, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist unbegründet.
Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf die in diesem einstweiligen Rechtsschutzverfahren geltend gemachten Leistungen. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin mit bestandskräftigem Bescheid vom 22. August 2007 für den Bewilligungszeitraum vom 1. September 2007 bis zum 29. Februar 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von monatlich 655,18 Euro bewilligt. Erbringt ein Leistungsträger bindend festgestellte Leistungen nicht, so darf und gegebenenfalls muss der Betroffene seine Ansprüche im Wege der allgemeinen Leistungsklage oder, in Eilfällen wie bei Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durchsetzen.
Die Antragsgegnerin beruft sich im vorliegenden Fall zu Unrecht auf die Möglichkeit einer vorläufigen Zahlungseinstellung. Nach § 40 Abs. 1 Nr. 2 SGB II in Verbindung mit § 331 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) können laufende Leistungen ohne Erteilung eines Bescheides vorläufig eingestellt werden, wenn der Sozialleistungsträger Kenntnis von Tatsachen erhält, die kraft Gesetzes zum Ruhen oder zum Wegfall des Anspruchs führen und wenn der Bescheid aus dem sich der Anspruch ergibt, deshalb mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben ist. Der Senat kann unentschieden lassen, ob im Zeitpunkt der Zahlungseinstellung, am 30. Oktober 2007, die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Bewilligungsentscheidung mit Wirkung für die Vergangenheit vorgelegen haben. Insbesondere kann der Senat auch offen lassen, ob auf der Rechtsfolgenseite des § 331 Abs. 1 Satz 1 SGB III Ermessen auszuüben ist und falls ja, ob die Antragsgegnerin dieses Ermessen auch rechtsfehlerfrei ausgeübt hat.
Denn jedenfalls ist nach § 331 Abs. 2 SGB III eine vorläufig eingestellte laufende Leistung unverzüglich nachzuzahlen, soweit der Bescheid, aus dem sich der Anspruch ergibt, zwei Monate nach der vorläufigen Zahlungseinstellung nicht mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben worden ist. Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die Antragsgegnerin hat die vorläufige Zahlungseinstellung am 30. Oktober 2007 verfügt. Die Frist von zwei Monaten lief damit Ende Dezember 2007 ab. Ein Aufhebungsbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit ist jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Senats nicht erlassen worden.
Der Antrag des Antragsgegners, die Vollstreckung aus dem Beschluss des Sozialgerichts gemäß § 199 Abs. 2 SGG auszusetzen, ist mit Erlass dieses Beschlusses erledigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Fundstellen