Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht. Beschwerdefrist. Zustellung durch Telefax. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten. (Sicherstellung der) Fristenkontrolle. Sozialgerichtliches Verfahren: Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand. Umfang der Pflicht zur Terminkontrolle

 

Orientierungssatz

Ein Rechtsanwalt hat dafür Sorge zu tragen, dass ein Fristenkalender täglich auf ablaufende Fristen kontrolliert wird. Hat demnach eine Rechtsanwaltsfachangestellte eine Beschwerdefrist irrtümlich in einem dem eigentlichen Fristablauf vorangehenden Monaten eingetragen und war dieser Termin bei Eintragung der Frist noch nicht verstrichen, so stellt es eine die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ausschließende schuldhafte Pflichtverletzung dar, dass dieser Fehler bei Erreichen des Tag mit der fehlerhaften Fristeintragung nicht bemerkt und korrigiert wurde.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 5. Januar 2011 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

 

Gründe

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den ihren Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 5. Januar 2011 war gemäß § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i. V. m. § 572 Abs. 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der gesetzlichen Frist eingelegt worden ist.

Gemäß §§ 173 Satz 1, 133 Satz 2 SGG ist die Beschwerde binnen einen Monats nach Zustellung der Entscheidung beim Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Dabei beginnt der Lauf der Beschwerdefrist nach §§ 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 SGG mit dem Tage nach der Zustellung und endet gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 SGG mit dem Ablauf desjenigen Tages des Folgemonats, welcher nach Zahl dem Tag der Zustellung entspricht. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist gemäß § 64 Abs. 3 SGG mit Ablauf des nächsten Werktages.

Ausweislich des bei der Gerichtsakte befindlichen Empfangsbekenntnisses der Verfahrensbevollmächtigen der Antragstellerin, welches - hinsichtlich des angegebenen Jahres offensichtlich unrichtig - auf den 6. Januar 2010 datiert ist, hat das Sozialgericht der Antragstellerin eine Ausfertigung seines Beschlusses vom 5. Januar 2011 nach § 63 Abs. 2 SGG i. V. m. § 174 Abs. 1, Abs. 2 ZPO wirksam im Wege der Übermittlung durch Telefax am 6. Januar 2011 zugestellt. Mit dem Empfangsbekenntnis haben die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin bestätigt, die Ausfertigung erhalten und am 6. Januar 2011 als zugestellt entgegengenommen zu haben. Demnach begann die einmonatige Frist des § 173 Satz 1 SGG zur Einlegung der Beschwerde gegen den mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung im Sinne des § 66 Abs. 1 SGG versehenen Beschluss einen Tag nach der Zustellung, also am 7. Januar 2011, zu laufen und lief gemäß § 64 Abs. 3 SGG am 7. Februar 2011, einem Montag, ab. Die Beschwerdeschrift der Antragstellerin vom 17. Februar 2011 ist am selben Tag und somit nach Ablauf der Beschwerdefrist beim Sozialgericht eingegangen.

Soweit das Sozialgericht ausweislich des - hinsichtlich des angegebenen Jahres ebenfalls offensichtlich unrichtig - auf den 10. Januar 2010 datierten Empfangsbekenntnisses den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin am 10. Januar 2011 nochmals eine Ausfertigung des Beschlusses zugestellt hat, wird davon der mit der ersten Zustellung ausgelöste Lauf der Beschwerdefrist nicht berührt. Eine nochmalige Zustellung einer vollständigen Entscheidung hätte die Frist nur dann in Lauf gesetzt, wenn die zunächst erfolgte Zustellung nicht wirksam oder die zugestellte Entscheidung nicht mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehen gewesen wäre (vgl. dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 174 Rn. 5a). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Unabhängig davon wäre die Beschwerde vom 17. Februar 2011 auch dann nach Ablauf der Beschwerdefrist eingegangen, wenn man ausgehend von einer Zustellung am 10. Januar 2011 einen Ablauf der Beschwerdefrist am 10. Februar 2011 (Donnerstag) zu Grunde legt.

Der Antragstellerin ist nicht, wie von ihr beantragt, nach § 67 Abs. 1 SGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist zu gewähren. Nach dieser Vorschrift ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden gehindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Dabei hat sich ein Beteiligter ein Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten zurechnen zu lassen. Die Berechnung und Notierung einfacher und in seinem Büro geläufiger Fristen - wie hier die Beschwerdefrist - darf ein bevollmächtigter Rechtsanwa...

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