Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. stationäre Krankenhausbehandlung. Schlaflaboruntersuchung bei Schlafapnoe. Verbindlichkeit von Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses. Amtsermittlungspflicht des Gerichts bei Nichteinhaltung des Stufenschemas
Orientierungssatz
1. Nach § 27 Abs 1 S 2 Nr 5 iVm § 39 Abs 1 S 2 SGB 5 hat ein Versicherter Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- oder nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Die Polysomnographie ist ua zur Behandlung einer Schlafapnoe durch den Gemeinsamen Bundesausschuss als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode anerkannt. Nach den maßgeblichen Richtlinien ist zur Diagnose einer schlafbezogenen Atmungsstörung vor der sog Polysomnographie, die mit einem Aufenthalt im Schlaflabor einhergeht, vor der Krankenhauseinweisung eine Polygraphie während einer mindestens sechsstündigen Schlafphase durchzuführen. Erst danach besteht eine Indikation für einen stationären Aufenthalt über Nacht in einem Schlaflabor.
2. Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses stellen nicht bloße Empfehlungen dar. Vielmehr handelt es sich dabei um verbindliche Rechtsvorschriften, die zwingend beachtet werden müssen.
3. Hat der Versicherte das vorgeschriebene Stufenschema nicht eingehalten, so ist stationäre Krankenhausbehandlung ausgeschlossen. Zur Entscheidung durch das Gericht bedarf es infolgedessen nicht der Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens.
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt die Gewährung einer stationären Behandlung im Schlaflabor.
Er ist bei der Klägerin gesetzlich krankenversichert und leidet seit längerem an Schlafapnoe. Er beantragte die stationäre Schlaflaboruntersuchung unter Einreichung einer Verordnung von Krankenhausbehandlung des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. med. S vom 16. Mai 2008. Auf Nachfrage gab Dr. S an, die Behandlung solle in stationärer Form aufgrund eines Restless-Legs-Syndroms (RLS) und Schlafapnoe erfolgen. Eine ambulante kardiorespiratorische Polygraphie sei nicht durchgeführt worden. Auf Veranlassung des Beklagten gab der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e.V. (MDK) eine Stellungnahme vom 7. August 2008 ab. Nach den Richtlinien müsse zwingend zunächst eine Voruntersuchung durch einen schlafmedizinisch qualifizierten niedergelassenen Arzt ambulant durchgeführt werden. Dieses Verfahren der Stufendiagnostik sei nicht eingehalten worden.
Mit Bescheid vom 13. August 2008 lehnte die Beklagte daraufhin die Kostenübernahme für die beantragte stationäre Krankenhausbehandlung ab.
Der Kläger erhob Widerspruch. Der Beklagten sei die Problematik seiner Erkrankung bekannt. Sie zahle immerhin das benötigte Beatmungsgerät samt Stromkostenpauschale. Dass die Geräteeinstellung je nach Krankheitsverlauf neu eingestellt und angepasst werden müsse, sei auch bekannt. Derartiges sei nur im Schlaflabor möglich, zumal bei ihm das RLS berücksichtigt werden müsse.
Der MDK nahm unter dem 17. September 2008 ergänzend Stellung. Bei einer CPAP (continuous positive airway pressure)-pflichtigen schlafbezogenen Atmungsstörung seien polygrafische Nachuntersuchungen sechs Monate nach der Therapieeinleitung, im weiteren Verlauf nach klinischem Erfordernis, ambulant durchzuführen. Nachuntersuchungen im Schlaflabor könnten nach den Richtlinien nur im Einzelfall unter bestimmten Voraussetzungen durchgeführt werden. Das RLS begründe grundsätzlich keine stationären Kontrolluntersuchungen, es sei denn, dass Beschwerden vorlägen, die durch ambulante Untersuchungen nicht abgeklärt, bzw. nicht ambulant behandelt werden könnten. Ob eine Neueinstellung des Therapiegerätes erforderlich sei, sei aufgrund des klinischen Befundes und einer ambulant durchgeführten Polygraphie zu entscheiden.
Die Beklagte wies darauf hin mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2008 den Widerspruch zurück.
Der Kläger hat hiergegen am 14. Januar 2009 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Verwertbare Ergebnisse könnten nur in einem Schlaflabor erzielt werden, eine bloße Polygraphie "bringe nichts". Sein an die zehn Jahre altes Beatmungsgerät zeige deutliche Ausfallerscheinungen und sei zu ersetzen. Er hat eine Stellungnahme der Kliniken M vom 2. Mai 2002 beigefügt, wonach entsprechend den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin und Deutschen Gesellschaft für Pneumologie bei einer Kombination aus RLS und schlafbezogener Atmungsstörung eine stationäre Polysomnographie zur optimalen Therapieüberprüfung erforderlich erscheine.
Das SG hat einen Befundbericht des Dr. S eingeholt.
Mit Gerichtsbescheid vom 23. November 2011 hat es die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 13. August 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2008 sei rechtmäßig. Der Kläger habe k...