Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Krankenversicherung. Krankengeldanspruch. Aufforderung zur Stellung eines Rehabilitationsantrags. Ablauf der Antragsfrist. Eintritt der Rechtsfolgen. aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage. Befugnis des Berichterstatters zur Entscheidung nach § 155 Abs 2 S 2 SGG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Befugnis des Vorsitzenden zur Entscheidung nach § 155 Abs 2 S 2 SGG.

2. Widerspruch und Klage gegen die Aufforderung nach § 51 Abs 1 SGB 5 haben ebenso aufschiebende Wirkung wie gegen die Feststellung des Eintritts der Rechtsfolgen des § 51 Abs 3 SGB 5.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 22. April 2014 geändert und die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vom 08. August 2014 bis zum 08. November 2014 Krankengeld zu zahlen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

1.) Nach § 155 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet der Vorsitzende über die Beschwerde allein, weil es sich um einen dringenden Fall i.S.d. genannten Vorschrift handelt. Im Hinblick auf die Funktion des hier vom Antragsteller begehrten Krankengeldes, seinen Lebensunterhalt zu sichern, und seinen Vortrag, dass ihm andere bereite Mittel nicht zur Verfügung stehen sowie den mit einem weiteren Zuwarten auf eine Beschwerdeentscheidung verbundenen (vorläufigen ) Rechtsverlust, dass ihm - wie noch darzulegen sein wird - Krankengeld lediglich ab dem Zeitpunkt der Entscheidung des Senats zugesprochen werden kann, ist nunmehr sofort über die Beschwerde zu entscheiden.

2.) Die nach §§ 172 Abs. 1, 173 SGG zulässige Beschwerde hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Soweit der Antragsteller Krankengeld für einen Zeitraum begehrt, der vor der Entscheidung des Senats liegt und sich auf einen Zeitraum erstrecken soll, der länger als drei Monate nach dem Erlass dieser Entscheidung liegt, fehlt dem Antragsteller ein Anordnungsgrund i.S.d. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG; ein eiliges Regelungsbedürfnis ist insoweit nicht zu erkennen.

a) In einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beurteilt sich das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet; im Beschwerdeverfahren ist dies grundsätzlich der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung, im sozialgerichtlichen Verfahren der Zeitpunkt der Entscheidung des Sozialgerichts. Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Absatz 4 Grundgesetz (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im - grundsätzlich vorrangigen - Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02 - und vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05, juris). Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes in aller Regel ausscheidet, soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat, denn insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt; das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. Oktober 2013, L 9 KR 294/13 B ER, juris m.w.N.).

b) An einem eiligen Regelungsbedürfnis und damit an einem Anordnungsgrund fehlt es auch, soweit mit der einstweiligen Anordnung Krankengeld für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten nach dem Zeitpunkt dieser Entscheidung begehrt wird.Eine Befristung einer einstweiligen Anordnung, mit der die Zahlung von Krankengeld zugesprochen wird, auf einen Zeitraum von maximal drei Monaten erscheint grundsätzlich geboten, um es der Antragsgegnerin zu ermöglichen, die Feststellung der Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit sowie die Ergebnisse medizinischer Untersuchungen und Maßnahmen zur Behandlung der die Arbeitsunfähigkeit verursachender Erkrankungen unter Kontrolle zu halten und dadurch den Vorbehalt einer Überprüfung des Krankengeldanspruchs im Hauptsacheverfahren nicht leerlaufen zu lassen. Der Senat hält es in Fällen wie dem vorliegenden deshalb für geboten, stattgebende Entscheidungen auf einen Zeitraum von sechs Wochen bis zu drei Monaten zu befristen, weil in dieser Zeit eine Veränderung des Gesundheitszustandes des Versicherten möglich ist. Dies bedeutet nicht, dass in dem der Befristung folgenden Zeitraum kein Krankengeld mehr gewährt werden muss. Hat ein Sozialg...

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