Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenentscheidung. Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs
Orientierungssatz
Setzt das Gericht in einer Anhörung zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid eine Stellungnahmefrist, fertigt sodann den Gerichtsbescheid vor Ablauf der gesetzten Frist und gibt dann aber den bereits gefertigten Gerichtsbescheid erst nach Kenntnisnahme der fristgemäß eingegangenen Stellungnahme zur Geschäftsstelle zwecks Zustellung, liegt ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht vor.
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 14. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.
Kosten dieses Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 14. Dezember 2005 hat keinen Erfolg. Die durch den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 03. Mai 2005 entstandenen Kosten sind zu erheben.
Die Voraussetzungen des hier noch gemäß § 72 Nr. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) vom 05. Mai 2004 (BGBl. I S. 718) anzuwendenden § 8 GKG a. F. liegen nicht vor. Danach sind Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht zu erheben. Eine unrichtige Sachbehandlung in diesem Sinne liegt vor, soweit das Gericht gegen eine eindeutige gesetzliche Norm verstoßen hat und soweit der Verstoß auch offen zutage tritt (Hartmann, Kostengesetze, 36. Auflage 2006, § 21 GKG RdNr. 4). Ein derartiger Sachverhalt ist hier nicht gegeben. Das Sozialgericht hat nicht gegen eine gesetzliche Norm verstoßen.
Soweit die Beklagte diesen Verstoß darin sieht, dass das Sozialgericht den Gerichtsbescheid vor Ablauf der von ihm selbst gesetzten Frist zur Stellungnahme erlassen habe, rügt sie im Kern einen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs. Der grundrechtliche Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist im Sozialgerichtsgesetz (SGG) insbesondere in den §§ 62 und 128 Abs. 2 SGG normiert. § 62 SGG bestimmt, dass den Beteiligten vor jeder Entscheidung rechtliches Gehör zu gewähren ist. Nach § 128 Abs. 2 SGG dürfen der Entscheidung des Sozialgerichts nur solche Tatsachen zu Grunde gelegt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Eine solche Gehörsverletzung liegt hier nicht vor. Das Sozialgericht hat zwar der Beklagten in seiner Anhörung vom 01. April 2005 zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid, die ihren Prozessbevollmächtigten nach deren Angaben am 06. April 2005 zugegangen ist, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Erhalt des Anhörungsschreibens - also bis zum 06. Mai 2005 - Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Der Gerichtsbescheid trägt jedoch bereits das Datum vom 03 Mai 2005, so dass der Anschein entstehen könnte, das Sozialgericht habe die von ihm selbst gesetzte Frist nicht abgewartet und deshalb den Schriftsatz der Bevollmächtigten vom 04. Mai 2005 bei seiner Entscheidung nicht zur Kenntnis nehmen können. Darin läge ein eindeutiger Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör. Tatsächlich hat das Sozialgericht den Gerichtsbescheid ausweislich der Gerichtsakte bereits am 03. Mai 2005 gefertigt. Der am 04. Mai 2005 bei Gericht per Fax eingegangene Schriftsatz der Beklagten, in dem diese das im Einzelnen streitbefangene Anerkenntnis abgegeben hat, ist dem zuständigen Richter jedoch nach seinem Aktenvermerk vom 10. Mai 2005 an diesem Tag zur Kenntnis gegeben worden. Erst nach Kenntnisnahme dieses Schriftsatzes hat er den Gerichtsbescheid zur Geschäftsstelle gegeben und die Zustellung des bereits gefertigten Gerichtsbescheides verfügt. Diese wurde dann auch von der Geschäftsstelle veranlasst.
Soweit die Beklagte vorträgt, “der Beschluss (gemeint ist offensichtlich der Gerichtsbescheid) erweise sich als reine Förmelei mit der Folge des Entstehens unnötiger (Gerichts-)kosten„, weil sie in ihrem Schreiben vom 04. Mai 2005 ein “unbedingtes und eindeutiges (Kosten-)Anerkenntnis„ abgegeben habe, welches eine gerichtskostenpflichtige Entscheidung entbehrlich gemacht habe, kann der Senat offen lassen, ob dieses Vorbringen zutreffend ist. Jedenfalls verkennt die Beklagte, dass das Gericht eine streitige Entscheidung zu treffen hatte, weil sie den streitgegenständlichen Zinsanspruch ausdrücklich nicht voll umfänglich anerkannt, sondern diesen auf die Zeit “ab Eingang des Kurzberichtes„ beschränkt hat. Das Sozialgericht hatte deshalb eine streitige Entscheidung zu treffen und in dieser gemäß § 105 Abs. 1 Satz 3 SGG in Verbindung mit § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG zwingend auch über die Kostentragung zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 72 Nr. 1 GKG in Verbindung mit § 5 Abs. 6 Satz 2 GKG a. F..
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Fundstellen