Entscheidungsstichwort (Thema)
Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen einen Sanktionsbescheid
Orientierungssatz
1. In den Fällen, in welchen kraft Gesetzes die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs nicht eintritt, kann nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG durch nachträgliche gerichtliche Anordnung nur abgewichen werden, wenn dies ausnahmsweise durch gewichtige Argumente zu begründen ist. Bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsentscheidung, so fehlt es an dem vom Gesetzgeber beim Ausschluss der aufschiebenden Wirkung vorrangigen Vollzugsinteresse der Verwaltung.
2. Nach dem Bestimmtheitsgebot des § 33 SGB 10 muss sich aus dem Verfügungssatz unzweifelhaft ergeben, was die Behörde will und von wem sie es will. Bei einer Sanktion nach § 31a SGB 2 wegen Pflichtverletzung muss für den Adressaten die sanktionierende Regelung und der betroffene Zeitraum unzweideutig erkennbar sein (Anschluss: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2010, B 14 AS 92/09 R).
3. Eine mehrfach wiederholte Pflichtverletzung i. S. von § 31a Abs. 1 S. 3 SGB 2 hat eine vollständige Minderung des Anspruchs auf Leistungen des SGB 2 zur Folge, wenn der Betroffene einen wichtigen Grund für sein Verhalten nicht nachweisen kann.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 05. März 2013 aufgehoben und der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage gegen den Bescheid vom 09. Januar 2013 zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für das einstweilige Rechtsschutzverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet. Das Sozialgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss zu Unrecht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Sanktionsbescheid vom 09. Januar 2013 angeordnet. Dabei hat das Sozialgericht zunächst zutreffend über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid vom 09. Januar 2013 entschieden, da grundsätzlich die aufschiebende Wirkung anzuordnen ist, auch wenn bereits - wie hier - ein Widerspruchsbescheid ergangen und Anfechtungsklage erhoben worden ist. Einer Umstellung des Antrages bedurfte es insoweit nicht. Eine Klarstellung im Tenor ist jedoch unschädlich.
Der vorliegende Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist zulässig. Der Widerspruch des Antragstellers gegen den Sanktionsbescheid vom 09. Januar 2013 hat keine aufschiebende Wirkung; der Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist der Antrag jedoch unbegründet. Die vom Sozialgericht für eine Anordnung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - zutreffend angeführten Voraussetzungen, auf die der Senat verweist, liegen hier nicht vor. Zutreffend führt das Sozialgericht an, dass in den Fällen, in denen kraft Gesetzes die aufschiebende Wirkung eine Widerspruchs nicht eintritt, hiervon durch nachträgliche gerichtliche Anordnung nur abgewichen werden kann, wenn dies ausnahmsweise durch gewichtige Argumente zu begründen ist ( in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 86b, Rn. 12c). Eine Anordnung kommt dann in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsentscheidung bestehen und diese im Hauptsacheverfahren keinen Bestand haben wird. In einem solchen Fall fehlt es an dem vom Gesetzgeber beim Ausschluss der aufschiebenden Wirkung unterstellten vorrangigen Vollzugsinteresse der Verwaltung.
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es bestehen jedenfalls nicht solche ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheides vom 09. Januar 2013, die hier ausnahmsweise eine Abkehr von dem gesetzlichen Regelfall der sofortigen Vollziehbarkeit der Verwaltungsentscheidung rechtfertigen.
Der Bescheid ist insbesondere nicht wegen mangelnder Bestimmtheit formell rechtswidrig. Nach § 33 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X - muss ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein. Das Erfordernis der Bestimmtheit bezieht sich sowohl auf den Verfügungssatz als auch auf den Adressaten des Verwaltungsaktes. Mehrere Personen als Adressaten eines Verwaltungsaktes müssen einzeln aufgezählt werden. Aus dem Verfügungssatz muss sich unzweifelhaft ergeben, was die Behörde will und von wem sie es will ( in von Wulffen, SGB X, Kommentar, 7. Auflage 2010, § 33 Rn. 6). Die Bestimmtheit bezieht sich nicht auf die Begründung. Vorliegend ist der Bescheid vom 09. Januar 2013 hinsichtlich der Verfügung eindeutig - nicht nur hinreichend - bestimmt. Allein aus dem Verfügungssatz “… wird für die Zeit vom 1. Februar 2013 bis 30. April 2013 (Minderungszeitraum) ein vollständiger Wegfall Ihres Arbeitslosengeldes festgestellt„ ist die von dem Antragsgegner getroffene Regelung für den Antragsteller eindeutig und zweifelsfrei zu erkennen. Soweit der Antragsgegner diese Regelung mit der Formulierung ei...