Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. vorläufiger Rechtsschutz. Versicherungsstreit um Zuständigkeit der GKV oder PKV. vorläufige Kostenübernahme nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB 5 bei unaufschiebbaren Leistungen, wenn sich eine vorangegangene Versicherung in der PKV im Rechtsschutzverfahren nicht feststellen lässt
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Versicherungsstreit gegen eine gesetzliche Krankenkasse.
2. Zur Zuständigkeit der Träger der PKV oder der GKV zur Erbringung von Leistungen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren.
3. Lässt sich eine vorangegangene Versicherung eines Antragstellers in der PKV im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht feststellen und sind die weiteren Voraussetzungen der Auffangversicherung des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB 5 gegeben, kann ein Antragsteller von einer gesetzlichen Krankenkasse die Erbringung von Leistungen der GKV ohne Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens verlangen, auf die er unaufschiebbar angewiesen ist.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 30. Januar 2015 geändert: Die Antragsgegnerin wird im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorläufig krankenversicherungsrechtliche Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) zu erbringen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die Hälfte ihrer außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag der Antragstellerin, in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und die soziale Pflegeversicherung aufgenommen zu werden, mit Bescheid vom 08. Mai 2014, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 07. November 2014, mit der Begründung ab, dass die Antragstellerin zwar derzeit ohne Krankenversicherungsschutz, aber nach ihren Angaben zuletzt, bis zum Mai 2000, bei der Barmenia - einem Unternehmen der privaten Krankenversicherung (PKV) - versichert gewesen sei. Dies schließe eine Versicherungspflicht in der GKV und der sozialen Pflegeversicherung aus.
Hiergegen hat die Antragstellerin Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Ihren sinngemäßen Antrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, sie im Wege einstweiliger Anordnung in die GKV aufzunehmen, hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 30. Januar 2015 abgelehnt. Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde der Antragstellerin.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 30. Januar 2015 ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang auch begründet. Die Antragstellerin hat sich mit dem Antrag an das Sozialgericht gewandt, sie (als Mitglied) in die GKV aufzunehmen. Das Sozialgericht hat das in diesem Antrag enthaltene Begehren, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig Leistungen der GKV zu gewähren, rechtsfehlerhaft verweigert. Denn für dieses Begehren ist sowohl der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG erforderliche Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch gegeben. Dagegen hat das Sozialgericht im vorläufigen Rechtsschutzverfahren das darüber hinausgehende Begehren der Antragstellerin, diese als Mitglied der Antragsgegnerin “in die gesetzliche Krankenversicherung aufzunehmen„ zu Recht abgelehnt.
1.) Im Streit über die Versicherungspflicht eines Antragstellers mit einer gesetzlichen Krankenkasse um eine bei dieser bestehenden Mitgliedschaft hat der Senat in ständiger Rechtsprechung vorläufigen Rechtsschutz dadurch gewährt, dass er die Krankenkasse zur vorläufigen Erbringung krankenversicherungsrechtlicher Leistungen nach dem SGB V verpflichtet hat, auf die der Antragsteller zur Erhaltung von Leben, Gesundheit und körperlicher Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz [GG]) dringend vor der Entscheidung im Hauptsacheverfahren angewiesen war und die er sich nicht einmal vorübergehend aus eigenen bereiten Mitteln oder denen unterhaltsverpflichteter Ehegatten oder Angehöriger beschaffen konnte. Eine Entscheidung über die zwischen den Beteiligten streitige Frage des Bestehens von Versicherungspflicht/Mitgliedschaft in der GKV hat der Senat in diesen Fragen dagegen nicht getroffen, weil damit die Hauptsache vorweggenommen würde, ohne dass dies zur Wahrung der Rechte des Antragstellers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG unumgänglich erforderlich wäre. Denn anders als hinsichtlich der Versagung einzelner Leistungen, auf die ein Antragsteller dringend angewiesen ist, besteht seine Beeinträchtigung bei der Ablehnung der Versicherungspflicht/Mitgliedschaft bei einer gesetzlichen Krankenkasse regelmäßig nur darin, dass ihm die nach dem SGB V generell zustehenden Leistungen zu einem späteren Zeitpunkt zu...