Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialgerichtliches Verfahren. Beteiligtenfähigkeit der Arbeitsgemeinschaften nach SGB 2. Teilrechtsfähigkeit. Berücksichtigung des Einkommens des Partners in eheähnlicher Gemeinschaft. Verfassungsmäßigkeit. Berücksichtigung des befristeten Zuschlags bei der Bedarfsberechnung
Orientierungssatz
1. Die Arbeitsgemeinschaft nach SGB 2 ist als nichtrechtsfähige Personenvereinigung nach § 70 Nr 2 SGG beteiligtenfähig im sozialgerichtlichen Verfahren. Eines Rückgriffs auf die hinter ihr stehenden Körperschaften bedarf es nicht.
2. Die in § 44b Abs 3 S 1 und 2 SGB 2 zur Außenvertretung der Arbeitsgemeinschaft getroffene Regelung, die voraussetzt, dass die Rechtshandlungen des vertretenden Geschäftsführers ihr zugerechnet werden, zeigt, dass die Arbeitsgemeinschaften teilrechtsfähig sind.
3. Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Berücksichtigung des Einkommens des Partners in eheähnlicher Gemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst b SGB 2 iVm § 9 Abs 2 S 1 SGB 2.
4. Da der befristete Zuschlag nach § 24 SGB 2 gem § 19 S 1 Nr 2 SGB 2 einen Teil des Arbeitslosengeld II darstellt, ist er konsequenterweise auch in die Bedarfsberechnung einzubeziehen. Anderes folgt auch nicht aus § 24 Abs 2 Nr 2 SGB 2.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung.
Die 1963 geborene Antragstellerin, die bis zum 27. Februar 2004 Arbeitslosengeld in Höhe eines wöchentlichen Zahlbetrages von 111,02 € und ab dem Folgetag Arbeitslosenhilfe bezogen hatte, beantragte am 17. September 2004 die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Bei dieser Gelegenheit gab sie an, mit dem 1973 geborenen O G seit November 2003 in einer eheähnlichen Gemeinschaft zu leben. Dieser beziehe aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ein monatliches Gehalt in Höhe von 1.909,50 € brutto bzw. 1.248,45 € netto. Für eine Kfz-Versicherung zahle er monatlich 66,21 €, außerdem habe er für sein Kfz monatliche Ratenverbindlichkeiten zu begleichen. Sie bewohnten eine mit Kohleöfen ausgestattete Wohnung; der Mietzins betrage einschließlich Betriebskosten 271,34 €. Hinzu kämen Kosten für Kohle und Gas.
Mit Bescheid vom 08. Dezember 2004 lehnte die Antragsgegnerin die Gewährung der beantragten Leistung mangels Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin ab. Die aus der Antragstellerin und O G bestehende Bedarfsgemeinschaft habe einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 329,13 € einen Gesamtbedarf von 951,13 €. Dem stehe ausgehend von einem Nettoerwerbseinkommen des O G in Höhe von 1.136,91 € und unter Berücksichtigung eines Freibetrages von monatlich 178,62 € ein monatliches Gesamteinkommen von 958,29 € gegenüber. Mit ihrem dagegen gerichteten Widerspruch machte die Antragstellerin geltend, die laufenden Kosten ihres Lebenspartners für die Kfz-Versicherung sowie für Ratenverbindlichkeiten seien zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Auch verfüge sie über keinen Krankenversicherungsschutz; eine freiwillige Krankenversicherung koste jedoch monatlich mindestens 130,00 €. Außerdem stehe ihr ein Zuschlag wegen vorangegangenen Arbeitslosengeldbezuges zu. Die Antragsgegnerin wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04. März 2005 unter erneuter Darlegung der Bedarfs- und Einkommensberechnung zurück. Ein befristeter Zuschlag nach § 24 SGB II wegen vorangegangenen Arbeitslosengeldbezuges könne nicht bewilligt werden, weil auch kein Arbeitslosengeld II gezahlt werde. Im Übrigen sei die Antragstellerin bis zur Rechtskraft ihres Scheidungsurteils über ihren getrennt lebenden Ehemann familienversichert.
Mit ihrem am 15. April 2005 bei Gericht eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat die Antragstellerin, die kurz zuvor Klage gegen den genannten Bescheid erhoben hatte und seit dem 16. Februar 2005 rechtskräftig von ihrem früheren Ehemann J H geschieden ist, die Verpflichtung der Antragsgegnerin erstrebt, ihr Arbeitslosengeld II zu gewähren und insbesondere die Kosten für eine Krankenversicherung ab dem 01. Januar 2005 zu übernehmen. Ein Leistungsanspruch nach § 19 SGB II ergebe sich schon daraus, dass ihr ein Zuschlag nach § 24 SGB II wegen Bezuges von Arbeitslosengeldes bis zum 27. Februar 2004 gewährt werden müsse. In die Bedarfsberechnung sei nach § 19 SGB II der Zuschlag nach § 24 SGB II einzubeziehen, so dass das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft nicht ausreiche, deren Bedarf zu decken. Im Übrigen bestünden erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Heranziehung von Partnern nichtehelicher Lebensgemeinschaften bei gleichzeitiger Schonung gleichgeschlechtlicher Partner im Rahmen des SGB II.
Mit Beschluss vom 04. Mai 2005 hat das Sozialgericht Berlin die Antragsgegnerin verpflichtet, der Antragstellerin als Vertreterin der mit O G gebildeten Bedarfsgemeinschaft ab dem 15. April 2005 Arbeitslosengeld II in Höhe von...