Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässigkeit der PKH-Beschwerde bei Nichterreichen des Beschwerdewertes der Berufung in der Hauptsache

 

Orientierungssatz

1. Mit Wirkung zum 1. 4. 2008 ist mit der Einführung von § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe zusätzlich immer dann ausgeschlossen worden, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint.

2. Die in § 73 a SGG angeordnete entsprechende Geltung der ZPO-Vorschriften enthält weder einen Vorbehalt noch ist sie an weitere Voraussetzungen geknüpft.

3. Damit ist die Beschwerde unterhalb des Beschwerdewertes unstatthaft, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint.

4. Die Einführung des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG ist daher nur als Regelung eines besonderen Falles eines Beschwerdeausschlusses zu verstehen, der anderweitig schon normierte Beschwerdeausschlüsse nicht berührt.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juni 2009 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beteiligten streiten in der Hauptsache um die Übernahme von Kosten für einen “Coaching-Vertrag„ in Höhe von 600,00 Euro. Das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss vom 25. Juni 2009 die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers ist nicht statthaft und daher in entsprechender Anwendung von § 158 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entgegen der Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Beschluss als unzulässig zu verwerfen.

Die Zulässigkeit des Rechtsmittels der Beschwerde gegen die Ablehnung von Anträgen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe richtet sich nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 127 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO); die Regelungen sind durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) mit Wirkung vom 1. April 2008 durch Einfügung von § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG ergänzt worden.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG gelten die Vorschriften der ZPO über die Prozesskostenhilfe entsprechend. Die Verweisung bezieht sich auf alle in dem Buch 1, Abschnitt 2, Titel 7 der ZPO enthaltenen Vorschriften über die Prozesskostenhilfe, soweit das SGG nicht ausdrücklich - etwa in § 73a Abs. 1 Satz 2 SGG - etwas anderes regelt (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 9. Aufl., 2008, § 73a, Rdnr. 2). Die "entsprechende Anwendung" fordert allerdings eine Anpassung der jeweils maßgeblichen Vorschriften der ZPO auf das sozialgerichtliche Verfahren, soweit prozessuale Besonderheiten bestehen. Dies betrifft insbesondere die Ersetzung des dem sozialgerichtlichen Verfahren fremden Rechtsmittels der "sofortigen Beschwerde" durch die "Beschwerde", ferner die Bestimmung des Beschwerdegerichts, nämlich des Landessozialgerichts statt eines höherinstanzlichen Zivilgerichts, sowie die Anpassung des maßgeblichen Werts des Beschwerdegegenstandes für die Berufung. Dieser liegt in Zivilverfahren gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO bei 600,00 EUR, während hier der seit dem 1. April 2008 in § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG geregelte Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,00 EUR maßgeblich ist oder der Wert bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro (vgl. § 144 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 SGG) nicht übersteigt, soweit die Berufung nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

Mit Wirkung zum 1. April 2008 ist mit der Einführung von § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe - unabhängig vom Wert des Beschwerdewerts - nunmehr "zusätzlich" und damit immer ausgeschlossen worden, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint (so auch: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. Juli 2008, L 12 B 18/07 AL).

Der Senat verkennt nicht, dass die entsprechende Anwendung des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO hinsichtlich des Beschwerdewertes streitig ist (vgl. etwa LSG Baden-Württemberg vom 2. Januar 2007 - L 13 AS 4100/06 PKH-B; LSG Berlin-Brandenburg vom 14. Mai 2007 - L 10 B 217/07 AS PKH, Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 73a Rn. 12 sowie die zahlreichen Rechtsprechungs- und Literaturhinweise des 12. Senats des LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. Juli 2008 - L 12 B 18/07 AL - juris, sowie die Beschlüsse des 8. Senats des LSG Baden-Württemberg vom 5. Dezember 2008 - L 8 AS 4968/08 - juris [bejahend] und des 13. Senats desselben Gerichts vom 23. Februar 2009 - L 13 AS 3835/08 - juris [verneinend]) und der 6. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen seine Rechtsprechung hinsichtlich der Wertgrenze im PKH-Beschwerdeverfahren nicht zuletzt vor dem Hintergrund der seit dem 1. April 2008 in § 172 Abs. 3 SGG geregelte...

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