Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Grundsicherungsleistungen für EU-Ausländer. Anforderungen an die Annahme eines Aufenthaltsrechts zur Arbeitsuche. Glaubhaftmachung der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit als Aufenthaltsgrund

 

Orientierungssatz

1. Auch ein Ausländer aus einem EU-Mitgliedsstaat, der sich lediglich zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, ist gemäß  § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 vom Bezug von Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende ausgeschlossen. Diesem Ausschluss stehen auch europarechtliche Vorschriften nicht entgegen (Fortführung Senat, Beschluss vom 5. März 2012, Az.: L 29 AS 414/12 B ER).

2. Ein Aufenthaltsrecht eines EU-Ausländers zur Arbeitsuche vermittelt kein unbeschränktes Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt. Vielmehr ist der Ausländer gehalten, nachzuweisen, dass er sich tatsächlich mit konkreter Erfolgsaussicht um einen Arbeitsplatz bemüht. Andernfalls kann er sich nicht auf die Arbeitsuche als Aufenthaltsgrund berufen.

3. Die Berufung auf ein Aufenthaltsrecht wegen Ausübung einer selbständigen Tätigkeit setzt mindestens die Glaubhaftmachung voraus, dass eine selbständige Tätigkeit tatsächlich in einem relevanten Umfang ausgeübt wird. Dabei ist zur Bewertung der Glaubhaftmachung nicht auf die Angaben des Anspruchstellers abzustellen, sondern der Sachverhalt nach äußeren, objektiv erkennbaren Umständen zu beurteilen.

4. Einzelfall zur Glaubhaftmachung einer selbständigen Tätigkeit als Aufenthaltsgrund.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 16. August 2013 aufgehoben.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht Berlin - Brandenburg Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwältin, beigeordnet.

Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren im Wege der einstweiligen Anordnung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der 1970 geborene Antragsteller zu 1) und die 1972 geborene Antragstellerin zu 2) sind miteinander verheiratet und die Eltern der in den Jahren 1995 bis 2000 geborenen Antragsteller zu 3) bis 5). Die Antragsteller sind rumänische Staatsbürger und leben nach eigenen Angaben seit Juni 2011 in Berlin unter diversen Anschriften.

Der Antragsteller zu 1) hat ausweislich einer Gewerbeanmeldung des Bezirksamts Mitte von Berlin vom 22. Juni 2010 ein Gewerbe mit einer Tätigkeit “Abriß„ angemeldet.

Auf ihre Anträge auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II erhielten sie solche von dem Antragsgegner zunächst insbesondere aufgrund einer einstweiligen Anordnung des Sozialgerichts Berlin (S 124 AS 11164/ 12 ER) bis einschließlich November 2012.

Einen Weiterbewilligungsantrag vom 12. November 2012 lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 30. November 2012 unter Hinweis auf den Leistungsausschluss des § 7 Absatz 1 S. 2 SGB II ab.

Die Antragsteller beantragten daraufhin bei dem Sozialgericht Berlin erneut den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Mit Beschluss vom 23. Januar 2013 (S 148 AS 32807/12 ER) verpflichtete das Sozialgericht Berlin den Antragsgegner (dem Grunde nach) zur Gewährung von Leistungen für den Zeitraum vom 19. Dezember 2012 bis zum 31. März 2013 und führte zur Begründung aus, es sei aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden. Die hiergegen von dem Antragsgegner bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegte Beschwerde wies das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 22. Februar 2013 (L 28 AS 266/13 B ER) mit der Maßgabe zurück, dass der Antragsgegner verpflichtet wurde, den Antragstellern für die Zeit vom 19. Dezember 2012 bis zum 31. Mai 2013, längstens jedoch bis zum rechts- bzw. bestandskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens, Leistungen in monatlicher Höhe von 1.734,--€ (ab Januar 2013) bewilligen. Zur Begründung wurde ausgeführt, es bestünden gewichtige Zweifel an der Europarechtskonformität des Leistungsausschlusses. Außerdem könne dahinstehen, ob aus der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit ebenfalls ein Aufenthaltsrecht resultiere. In Anbetracht einer festzustellenden “Pattsituation„ sei daher im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Diese falle zu Gunsten der Antragsteller aus, da “allein fiskalische Gesichtspunkte„ angesichts der “elementaren Bedürfnissen„ der Antragsteller nicht überwiegen.

Am 13. Mai 2013 beantragten die Antragsteller schließlich erneut die Weiterbewilligung der Leistungen nach dem SGB II; diesen Antrag lehnte der Antragsgegner - erneut unter Hinweis auf § 7 Absatz 1 S. 2 Nr. 1 und 2 SGB II - ab (Bescheide vom 13. Juni 2013).

Die Antragsteller haben daraufhin am 12. Juli 2013 bei dem Sozialgericht Berlin erneut den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Der Antragsteller zu 1) sei selbständig tätig. Der Antragsschrift vom 12. Juli 2013 sind beigefügt worden Kopien ...

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