Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Anordnung. als Beschluss bezeichnendes Schriftstück. fehlende Unterschrift. Nicht- oder Scheinbeschluss. Entwurf. Statthaftigkeit der Beschwerde. Feststellung. Sozialgerichtliches Verfahren: Wirksamkeit eines nicht vom Richter unterzeichneten sozialgerichtlichen Beschlusses
Orientierungssatz
1. Fehlt auf einer als Beschluss bezeichneten Entscheidung des Sozialgerichts die Unterschrift des im Rubrum angegebenen Richters, so liegt lediglich ein Entscheidungsentwurf vor, nicht jedoch ein wirksamer Beschluss. Das gilt auch dann, wenn dieser Entwurf den Verfahrensbeteiligten zugestellt wurde.
2. Die Nachholung der Unterschrift gemäß § 202 SGG i.V.m. § 319 Abs 1 ZPO ist nicht zulässig.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird festgestellt, dass es sich bei dem als Beschluss bezeichneten Schriftstück des Sozialgerichts Berlin vom 08. September 2010 - S 77 AS 23247/10 ER - nicht um einen Beschluss im Sinne des § 142 Sozialgerichtsgesetz handelt.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zulässig und begründet.
Mit seiner Beschwerde begehrt der Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Verpflichtung des Antragsgegners zur Erstattung von Umzugskosten in Höhe von 40,- Euro sowie zur Zahlung von Kosten einer Erstausstattung in Höhe von 1.451,- Euro und wendet sich zur Durchsetzung dieses Begehrens gegen einen ihm am 14. September 2010 zugestellten, seinen Antrag ablehnenden “Beschluss„ des Sozialgerichts Berlin vom 08. September 2010. Bei diesem “Beschluss„ handelt es sich jedoch um einen Nicht- oder Scheinbeschluss, ohne dass eine der Rechtskraft fähige Entscheidung des Sozialgerichts über den Antrag des Klägers getroffen worden wäre. Nur dies kann der Senat feststellen und nur insoweit ist die Beschwerde wegen des Anscheins einer gerichtlichen Entscheidung auch statthaft (vgl. Oberlandesgericht ≪OLG≫ Frankfurt, Beschluss vom 26. November 2009 - 1 UF 307/09 - in FamRZ 2010, S. 907 f.).
Gemäß dem für Urteile geltenden § 134 Abs. 1 SGG, der gemäß § 142 Abs. 1 SGG auf Beschlüsse entsprechend anwendbar ist, ist der Beschluss vom Vorsitzenden zu unterschreiben.
Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, denn der in den Akten befindliche “Beschluss„ vom 08. September 2010 trägt keine Unterschrift der im Rubrum angegebenen Richterin. Es handelt sich daher bei der Entscheidung lediglich um einen Entwurf, verglichen mit dem Entwurf eines Urteils, das noch nicht verkündet worden ist, weil es an der auf die Setzung eines Rechtsakts gerichteten Willensäußerung der Richterin fehlt (vgl. Bundesverfassungsgericht ≪BVerfG≫, Beschluss vom 17. Januar 1985 - 2 BvR 498/84 - in NJW 1985, S. 788 f.; s. a. OLG Frankfurt, a. a. O., m. w. N.).
Zwar ist der Beschlussentwurf den Beteiligten zugestellt worden, dies ist jedoch nicht ausreichend, um den zugestellten Entwurf dem Gericht tatsächlich als seine Entscheidung zurechnen zu können (vgl. BVerfG, a. a. O., m. w. N.). Denn nach Lage der Akten ist davon auszugehen, dass der Entwurf ohne entsprechende richterliche Willensäußerung lediglich aufgrund eines Versehens der Geschäftsstelle zugestellt worden ist. Eine Nachholung der Unterschrift gemäß § 202 SGG i. V. m. § 319 Abs. 1 Zivilprozessordnung (vgl. dazu Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24. Juni 2003 - VI ZR 309/02 - in NJW 2003, S. 3057 f.) ist nicht zulässig, denn das in §§ 142 Abs. 1, 134 Abs. 1 SGG enthaltene Erfordernis der richterlichen Urteils- bzw. Beschlussunterzeichnung gehört zu den Anforderungen, die ein ohne mündliche Verhandlung ergehender Beschluss erfüllen muss, damit er gemäß § 133 Satz 2 SGG i. V. m. Satz 1 durch Zustellung an die Beteiligten wirksam werden kann (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 03. Dezember 1992 - 5 C 9/89 - in NJW 1993, S. 1811 f.).
Das Verfahren ist damit weiterhin beim Sozialgericht anhängig, das nunmehr eine formwirksame Entscheidung über das Begehren des Antragstellers zu treffen haben wird.
Da das Sozialgericht eine für den Senat überprüfbare Entscheidung bislang nicht getroffen hat, ist die Beschwerde des Antragstellers im Übrigen als unzulässig zu verwerfen (§ 172 Abs. 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog und berücksichtigt, dass der Antragsteller im Beschwerdeverfahren im Wesentlichen nicht obsiegt hat.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Fundstellen