Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Anordnung. Sanktionsbescheid. Bestimmtheit. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Bestimmtheitserfordernis
Orientierungssatz
1. Die Klage gegen einen Sanktionsbescheid nach § 31 SGB II hat gemäß § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung, so dass sich der einstweilige Rechtsschutz nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG richtet. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung setzt zumindest voraus, dass bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitigen Bescheides bestehen und ein gewisses Maß an Eilbedürftigkeit vorhanden ist (Aufrechterhaltung LSG Berlin-Potsdam, Beschluss vom 06.06.2007 - L 28 B 731/07 AS ER).
2. Für die Bestimmtheit eines Sanktionsbescheides nach § 31 SGB II ist erforderlich, dass der Umfang der Kürzung konkret und unmissverständlich dem Bescheid zu entnehmen ist. Dem Betroffenen muss es möglich sein, auf eine Absenkung zu reagieren und im Vorhinein zu entscheiden, auf welche Weise er ggf. den fehlenden Betrag decken kann.
3. Die mangelnde Bestimmtheit kann aufgrund des Gesetzeszweckes des § 31 Abs. 6 S. 1 SGB II nicht nach Ablauf des Sanktionszeitraumes nachträglich geheilt werden. Auch eine Heilung nach § 41 SGB X kommt nicht in Betracht.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 4. Dezember 2006 aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 7. November 2006 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 25. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. November 2006 wird angeordnet.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die Kosten des gesamten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 4. Dezember 2006 ist gemäß § 172 Abs. 1 und § 173 Sozialgerichtsgesetzt (SGG) zulässig und begründet. Auf den Antrag des Antragstellers vom 7. November 2006 um Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes war die aufschiebende Wirkung seiner ebenfalls am 7. November 2006 beim Sozialgericht Berlin erhobenen Klage (S 18 AS 10183/06) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 25. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 1. November 2006 anzuordnen.
Das Rechtsschutzgesuch des Antragstellers richtet sich nach § 86 b Abs. 1 SGG. Denn mit dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid sind dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den hier streitbefangenen Zeitraum vom 1. Oktober 2006 bis zum 31. Dezember 2006 in ungekürzter Höhe gewährt worden. Damit hat der Antragsgegner einen Rechtsgrund geschaffen, aus dem der Antragsteller für die jeweiligen Monate die Auszahlung der ihm mit diesem Bescheid gewährten Leistungen verlangen kann. Wenn der Antragsgegner meint, diese Leistungsgewährung sei vom 1. Oktober 2006 an insoweit rechtswidrig geworden, so bedarf der ursprüngliche Bewilligungsbescheid der Aufhebung gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Verbindung mit § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Dieser Bescheid, der hier unter dem 25. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. November 2006 ergangen ist, stellt eine den Antragsteller belastende Regelung dar, weil mit ihr in die dem Antragsteller mit dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid gewährte und ihn begünstigende Rechtsposition eingegriffen worden ist.
Da die Klage des Antragsteller gegen diese Entscheidung nach § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung hat, richtet sich der einstweilige Rechtsschutz nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG.
Hiernach kann das Gericht auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ob die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anzuordnen ist oder nicht, entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen auf der Grundlage einer Abwägung, bei der das private Interesse des Bescheidadressaten an der Aufschiebung der Vollziehung gegen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes abzuwägen ist. Um eine Entscheidung zugunsten des Bescheidadressaten zu treffen, ist zumindest erforderlich, dass bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitigen Bescheides bestehen (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2005, Rdnr. 197 ff.). Ist in diesem Sinne eine Erfolgsaussicht des Hauptsacheverfahrens zu bejahen, ist weiterhin Voraussetzung, dass dem Betroffenen das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht zugemutet werden kann, also ein gewisses Maß an Eilbedürftigkeit besteht (Beschlüsse des Senats vom 6. März 2007 - L 28 B 290/07 AS ER -, vom 2. Mai 2007 - L 28 B 517/07 AS ER - und vom 6. Juni 2007 - L 28 B 731/07 AS ER - sowie bereits Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 12. Mai 2006 - L 10 B 191/06 AS ER -, abrufbar unter: www.sozialger...