Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Aufhebungsbescheid. Auskunftspflicht. Bedarfsgemeinschaft. Feststellungslast

 

Orientierungssatz

1. Die §§ 45, 48 SGB X sind auf dasselbe Ziel, nämlich die Aufhebung (im weiten Sinn) eines Verwaltungsaktes, gerichtet, so dass das Auswechseln dieser Rechtsgrundlagen grundsätzlich zulässig ist (Vergleiche BSG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - B 7a AL 18/05 R = SozR 4-4300 § 119 Nr. 3).

2. Im Aufhebungsverfahren nach § 45 SGB X trägt nicht der Antragsteller die Feststellungslast für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Voraussetzungen einer Norm, sondern die Behörde trägt die Feststellungslast dafür, dass der ursprüngliche Bewilligungsbescheid rechtswidrig ist.

3. Die Auskunftspflichten des § 60 Abs. 1 bis 4 SGB II sind, anders als die Mitwirkungspflichten des Hilfebedürftigen, die Obliegenheiten darstellen, als öffentlich-rechtliche Leistungspflicht (Schuld) des Dritten ausgestaltet. § 60 Abs. 4 S. 1 SGB II setzt dabei voraus, dass Einkommen oder Vermögen des Partners zu berücksichtigen ist, mithin, dass eine Partnerschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a bis c SGB II besteht.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 27. August 2007 aufgehoben und die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 7. August 2007 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 31. Juli 2007 angeordnet.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den weiteren Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 27. August 2007, mit dem das Gericht den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren abgelehnt hat, wird zurückgewiesen.

Der Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gesamten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerden des Antragstellers gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts Potsdam vom 27. August 2007 sind gemäß §§ 172 Abs. 1 und 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und, soweit das Gericht die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt hat, begründet. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet.

Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts beurteilt sich das Rechtsschutzgesuch des Antragstellers allerdings nicht nach § 86 b Abs. 2 SGG, sondern nach Abs. 1 der Vorschrift. Denn mit dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 30. Mai 2007, mit dem die Antragsgegnerin dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Bewilligungszeitraum vom 1. Juli 2007 bis zum 31. Dezember 2007 in Höhe von 592,00 € monatlich bewilligt hat, wurde für den vorgenannten Bewilligungszeitraum ein Rechtsgrund geschaffen, aus dem der Antragsteller für die jeweiligen Monate tatsächlich die Auszahlung der von ihm begehrten Leistungen verlangen kann. Wenn die Antragsgegnerin meint, diese Bewilligung sei rechtswidrig, weil “die gesetzlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Leistungen nicht vorliegen, weil nach Aktenlage davon auszugehen (sei), dass der Antragsteller mit Frau A B (B) in einer Bedarfsgemeinschaft lebe und eine bestehende Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft nach Aktenlage nicht erkennbar und auch nicht nachgewiesen„ sei, so bedarf der Bewilligungsbescheid der Rücknahme gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 (SGB II) in Verbindung mit § 330 Sozialgesetzbuch Drittes Buch und §§ 44 ff. Sozialgesetzbuch Zehntes Buch. Dieser Bescheid, der hier unter dem 31. Juli 2007 ergangen ist, stellt einen belastenden Verwaltungsakt dar, weil mit ihm in die mit dem Bewilligungsbescheid vom 30. Mai 2007 geschaffene und den Antragsteller begünstigende Rechtsposition eingegriffen worden ist.

Gegen den Bescheid vom 31. Juli 2007 hat der Antragsteller Widerspruch eingelegt, über den bisher noch nicht entschieden worden ist. Da dieser Widerspruch nach § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung hat, richtet sich der einstweilige Rechtsschutz nach § 86 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG.

Hiernach kann das Gericht auf Antrag in den Fällen wie dem Vorliegenden, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ob die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anzuordnen ist oder nicht, entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen auf der Grundlage einer Abwägung, bei der das private Interesse des Bescheidadressaten an der Aufschiebung der Vollziehung gegen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes abzuwägen ist. Um eine Entscheidung zugunsten des Bescheidadressaten zu treffen, ist zumindest erforderlich, dass bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitigen Bescheides bestehen (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2005, Rdnr. 197 ff.). Denn an der Vollziehung offensichtlich rechtswidriger Verwaltungsakte kann kein - auch gesetz...

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