Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialgerichtliches Verfahren. gerichtliche Zwangsvollstreckung. Streitwertbemessung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Wert des Verfahrensgegenstandes in selbständigen gerichtlichen Vollstreckungsverfahren nach § 201 SGG bemisst sich nach dem Betrag des beantragten Zwangsgeldes und ist nicht an dem Wert zu orientieren, der in dem vorangegangenen Erkenntnisverfahren als Wert des Verfahrensgegenstandes festzusetzen gewesen wäre.
2. Im Falle der Androhung eines Zwangsgeldes ist die Hälfte des vom Vollstreckungsgläubiger beantragten Zwangsgeldes Wert des Verfahrensgegenstandes.
Tenor
Auf die Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26. März 2003 geändert. Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 500,00 € festgesetzt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
Die nach §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 25 Abs. 3 und 4 Gerichtskostengesetz in der bis zum 1. Juli 2004 geltenden Fassung (GKG a.F.) zulässige Beschwerde der Schuldnerin hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Nach § 72 Nr. 1 GKG ist für die Wertbestimmung des vorliegenden Falles noch das GKG in der bis zum 1. Juli 2004 geltenden Fassung heranzuziehen. Nach § 13 Abs. 1 S. 1 GKG a.F. ist in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit der Streitwert vorbehaltlich der folgenden Vorschriften nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferbare Geldleistung, so ist deren Höhe maßgeblich (§ 13 Abs. 2 GKG a.F.). Diese Vorschriften sind auch der Wertfestsetzung im gerichtlichen Vollstreckungsverfahren nach § 201 SGG zu Grunde zu legen.
Die sich aus dem Antrag des Vollstreckungsgläubigers für ihn ergebende Bedeutung der Sache im Sinne des § 13 Abs. 1 und 2 GKG bemisst sich zunächst an der Höhe des von ihm beantragten Zwangsgeldes nach § 201 SGG. Dies war hier die vom Gesetz als Höchstbetrag bestimmte Summe von 1000,00 €. In Anlehnung an den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 7./8. Juli 2004 Ziff. 1.6.1. Satz 2 ist im vorliegenden selbständigen gerichtlichen Vollstreckungsverfahren dieser Betrag auf die Hälfte herabzusetzen, weil das Verfahren nicht die Festsetzung, sondern lediglich die Androhung des Zwangsgeldes betraf; der Wert des Verfahrensgegenstandes war deshalb auf 500,00 € festzusetzen.
Demgegenüber hat das Sozialgericht den Wert des Verfahrensgegenstandes des Vollstreckungsverfahrens zu Unrecht an dem Wert orientiert, der in dem vorausgegangenen Erkenntnisverfahren als Wert des Verfahrensgegenstandes zu Grunde zu legen gewesen wäre (so aber zu § 172 VwGO: VGH Baden-Württemberg NVwZ 2004, 459; NVwZ-RR 2001, 72; sowie Beschl. v. 14. 3. 2003, - 4 S 128/03, zitiert nach juris; OVG Lüneburg, Beschl. v. 31.10.2005 -5 OB 192/05-, zitiert nach juris; Schoch/Pietzner, VwGO, Band II, Stand April 2006; Hartmann, Kostengesetze, 36. Auflage, Anhang I B § 52 GKG Rdnr. 11).
Es hat dabei verkannt, dass das regelmäßig für die Wertfestsetzung allein maßgebende unmittelbare Ziel des gerichtlichen Vollstreckungsverfahrens die Androhung bzw. die Festsetzung eines Zwangsmittels ist, um die Befolgung der vorausgegangenen gerichtlichen Entscheidung im Erkenntnisverfahren durchzusetzen. Das Interesse an diesem Verfahren darf deshalb nicht mit der Bedeutung gleichgesetzt werden, die das Hauptsacheverfahren für den Vollstreckungsgläubiger hat. Dies folgt schon aus der Erwägung, dass die Erzwingungswirkung eines Zwangsgeldes von 1000,00 € für Gläubiger und Schuldner geringer ist als das Erfüllungsinteresse in der Hauptsache, zumal der Zwang gegenüber dem Schuldner nicht in jedem Fall und nicht automatisch zum Erfolg führen muss. Unberücksichtigt lässt die Auffassung des Sozialgerichts auch, dass die Streitmaterie der Beteiligten des Vollstreckungsverfahrens in der Regel - und so auch im vorliegenden Fall - nicht (mehr) der durchzusetzende Anspruch des Erkenntnisverfahrens ist, sondern Rechtsfragen, die die Vollstreckung betreffen. Schließlich lässt sich auch keine überzeugende Begründung dafür finden, dass für den Vollstreckungsgläubiger die Bedeutung der Sache im gerichtlichen Vollstreckungsverfahren mit der des Erkenntnisverfahrens übereinstimmen soll, während in behördlichen Verfahren, die selbständige Zwangsgeldandrohungen bzw. -festsetzungen durch Verwaltungsakt betreffen, der Betrag des Zwangsgeldes maßstäblich sein soll (so Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 7./8. Juli 2004 Ziff. 1.6.1., sowie VGH Baden-Württemberg, NVwZ-RR 2001, 72 und Beschl. v. 14.3. 2003 a.a.O.; ebenso Hartmann, Kostengesetze, a.a.O.).
Das Erzwingungsinteresse und dem folgend die Wertfestsetzung bemessen sich demzufolge an den vom Gesetzgeber im Vollstreckungsrecht (hier in § 201 SGG) zur Verfügung gestellten Erzwingungsmöglichkeiten (wie hier zu § 172 VwGO: OVG Münster NVwZ 1993, 383; VGH Baden-Württemberg, Besc...