Entscheidungsstichwort (Thema)

Übernahme der Gutachterkosten nach § 109 SGG auf die Staatskasse

 

Orientierungssatz

1. Die Übernahme der Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens durch die Staatskasse ist grundsätzlich nur dann gerechtfertigt, wenn das Gutachten für die Entscheidung oder den sonstigen Ausgang des Rechtsstreites von Bedeutung gewesen ist. Von Bedeutung für den Ausgang des Rechtsstreites ist ein Gutachten nur, wenn es dem Gericht neue, rechtserhebliche Erkenntnisse verschafft hat (so auch Beschluss LSG Essen vom 4.7.2002 - L 10 B 8/02 SB = SGb 2002, 676).

2. Die Kosten sind aber auch dann durch die Staatskasse zu übernehmen, wenn das Gutachten zwar für den Ausgang des Rechtsstreites nicht von Bedeutung gewesen ist, die Einholung des Gutachtens aber auf einer verfahrensrechtlich unrichtigen Sachbehandlung durch das Gericht beruht.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Kosten für das Gutachten des Dr. med. W. S. vom 31. Oktober 2002 werden von der Staatskasse übernommen.

Nach § 109 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat der Beteiligte, auf dessen Antrag ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört wird, die Kosten vorzuschießen und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig zu tragen. Eine dem gegenüber “andere Entscheidung des Gerichts", die also den Kläger von der Pflicht befreit, die Begutachtungskosten endgültig zu tragen, ist grundsätzlich nur gerechtfertigt, wenn das Gutachten für die Entscheidung oder den sonstigen Ausgang des Rechtsstreites von Bedeutung gewesen ist. Von Bedeutung für den Ausgang des Rechtsstreits ist ein Gutachten nur dann, wenn es dem Gericht neue rechtserhebliche Erkenntnisse verschafft hat (Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 4. Juli 2002 - Az. L 10 B 8/02 SB -, zitiert nach Juris). Im vorliegenden Fall waren die dem Gericht durch das Gutachten verschafften Kenntnisse nicht entscheidungserheblich. Denn das Gericht hat die Klage des Klägers mit der Begründung abgewiesen, dem Kläger seien durch die Versorgung mit dem streitbefangenen Hilfsmittel keine Kosten entstanden. Er schulde insoweit keine Vergütung.

Da die von dem Sozialgericht in seiner Beweisanordnung vom 2. April 2002 formulierten Beweisfragen daher nicht entscheidungserheblich waren, hätte das Gericht den Antrag nach § 109 SGG ablehnen oder jedenfalls dem Kläger Gelegenheit geben müssen, seinen Antrag zurückzunehmen. Das Sozialgericht ist indes so nicht verfahren. Es ist dem Antrag des Klägers gefolgt und hat den von ihm benannten Gutachter mit der Erstellung des medizinischen Sachverständigengutachtens beauftragt, ohne den Kläger vorab auf seine Bedenken hinsichtlich der Erheblichkeit der Beweiserhebung hinzuweisen. Diese verfahrensrechtlich unrichtige Sachbehandlung durch das Gericht rechtfertigt eine Übernahme der Kosten für das Gutachten von der Staatskasse, weil andernfalls der Kläger ein Kostenrisiko zu tragen hätte, das nicht vom Inhalt des eingeholten Gutachtens abhängt (Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4. Auflage 2005, RdNr. 273, Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 109 RdNr. 16 a, Rohwer-Kahlmann, SGG-Kommentar (Std.: 43. Lieferung/Januar 2005), § 109 RdNr. 49).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1756761

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