Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen Erwerbsminderung

 

Orientierungssatz

1.Das Erfordernis zusätzlicher Nahrungsaufnahme steht somit einer vollschichtigen Arbeitstätigkeit im Sinne des Rentenrechts nicht entgegen.

2.Erwerbsfähigkeit setzt grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten voraus, vier Mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 Meter mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß bewältigen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z. B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

3.Als ungelernte Arbeiterin ist die Klägerin grundsätzlich zumutbar verweisbar auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, so dass Berufsunfähigkeit nicht besteht. Das Risiko, dort keinen leidensgerechten Arbeitsplatz zu finden, ist im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung nicht abgesichert.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Januar 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1955 geborene Klägerin war nach Abbruch einer Ausbildung zur Facharbeiterin für Lederwaren seit dem 22. April 1974 bei der Deutschen Reichsbahn bzw. der Deutschen Bahn AG (DB AG) als Amtsgehilfin (u. a. Vervielfältigerin) bzw. Bürohilfskraft beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete zum 31. Dezember 1996, seither ist die Klägerin arbeitslos. Sie bezieht Arbeitslosengeld II. Bei ihr war ab dem 24. August 2004 ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 (Bescheid vom 23. Mai 2005) anerkannt worden, inzwischen ist ein GdB von 60 (Bescheid vom 03. September 2010) festgestellt.

Am 16. August 2005 stellte sie bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung unter Hinweis auf eine ihrer Auffassung nach bestehende Minderung der Erwerbsfähigkeit wegen Diabetes mellitus Typ II, beidseitigen Glaukoms, Arthrosen, Wirbelsäulenbeschwerden, Bluthochdrucks und Folgen eines Unfalls am linken Handgelenk. Die Beklagte holte eine Auskunft der DB AG vom 23. September 2005 (beigefügt waren u. a. ein Arbeitsvertrag vom 22. April 1974, ein Änderungsvertrag vom 09. August 1974 sowie ein Nachweis über die tarifgerechte Eingruppierung einer Arbeiterin vom 22. April 1992) sowie einen Befundbericht der behandelnden Internistin Dr. K vom 09. September 2005 ein und veranlasste eine Untersuchung und Begutachtung der Klägerin durch die Allgemeinmedizinerin Dr. H am 22. September 2005. In ihrem Gutachten vom 26. September 2005 stellte diese einen insulinpflichtigen Diabetes mellitus, einen Hypertonus sowie eine Adipositas fest. Die Klägerin könne noch körperlich leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen unter Beachtung weiterer qualitativer Leistungseinschränkungen täglich sechs Stunden und mehr verrichten. Mit Bescheid vom 08. November 2005 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung im Hinblick auf das Ergebnis der Begutachtung ab. Die Klägerin könne im Übrigen ihre letzte berufliche Tätigkeit als Bürohilfskraft weiterhin ausüben. Auf den Widerspruch der Klägerin holte die Beklagte noch Befundberichte der behandelnden Augenärztin Dr. K vom 12. September 2005, der Orthopädin Dr. S vom 21. November 2005 sowie des Chirurgen Dipl.-Med. S vom 09. Januar 2006 ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2006 wies sie den Widerspruch der Klägerin sodann zurück. Auch aus dem aktuellen Befund der Wirbelsäule, der Schultergelenke, der Ellenbogengelenke sowie beider Hände ergäben sich keine Hinweise auf eine so schwerwiegende Einschränkung des Leistungsvermögens, dass sie nicht mehr in der Lage wäre, eine körperlich leichte Arbeit noch vollschichtig zu verrichten.

Mit ihrer hiergegen vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, es bestehe ein Erfordernis zusätzlicher Pausen, weil sie jederzeit Insulin spritzen können müsse.

Das SG hat zunächst Befundberichte des Nuklearmediziner D vom 15. November 2006, der Frau Dr. K vom 16. November 2006, der Frau Dr. S vom 24. November 2006, der Allgemeinmedizinerin Dr. S vom 24. November 2006 sowie der Frau Dr. K vom 05. Januar 2006 (2007) eingeholt. Im Anschluss daran hat das SG Beweis erhoben und die Fachärztin für Orthopädie und Rheumatologie Dr. W mit der Untersuchung der Klägerin und Erstellung eines Gutachtens betraut. In ihrem am 18. Juli 2007 nach einer Untersuchung der Klägerin am 19. Juni 2007 fertig gestellten Gutachten hat sie folgende Diagnosen aufgeführt:

- Gonarthrose beidseits II-III°

- Posttraumatische Handgelenksarthrose bei Zustand nach Handgelenksfraktur links

- Protrusionscoxarthrose beidseits

- Spondylarthrosis deformans der Wirbelsäule bei erheblicher Fehlstatik.

Unter Würdigung dieser Gesundheitsstörungen könne die Klägerin täglich regelmäßig noch körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Rä...

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