Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung: Rente wegen Erwerbsminderung. Voraussetzung der Annahme einer Erwerbsminderung
Orientierungssatz
1. Beschränken eine Erkrankung oder eine gesundheitliche Beeinträchtigung infolge einer Wechselwirkung zwischen verschiedenen Erkrankungen (hier: Diabetes mellitus und Depressionen) zwar in qualitativer Weise die Möglichkeiten zur Berufstätigkeit, bleibt davon jedoch in quantitativer Hinsicht der mögliche zeitliche Umfang einer Berufstätigkeit unberührt, kommt die Annahme einer verminderten Erwerbsfähigkeit und in deren Folge die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht in Betracht.
2. Einzelfall zur Beurteilung des Vorliegens einer vollständigen Erwerbsminderung.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. September 2011 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1961 geborene Klägerin legte am 24. Januar 1983 ihre Gesellenprüfung im Friseur-Handwerk ab. Anschließend war sie bis zum Eintritt von Arbeitsunfähigkeit am 04. Januar 2008 in diesem Beruf beschäftigt. Das letzte Arbeitsverhältnis endete im Dezember 2008. Seit November 1995 ist sie im Hinblick auf einen insulinpflichtigen, mit Insulinpumpe versorgten Diabetes mellitus im Besitz eines Schwerbehindertenausweises mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50.
Vom 17. Juli bis zum 28. August 2008 befand sie sich im Rahmen einer stationären medizinischen Rehabilitation in der Hklinik B wegen einer mittelgradigen depressiven Episode, eines primären insulinabhängigen Diabetes mellitus (Typ 1), Kreuzschmerz, Zervikalneuralgie und eines benignen essentiellen Hypertonus. Im Entlassungsbericht vom 15. September 2008 wurde das Leistungsvermögen bei Entlassung mit sechs Stunden und mehr für körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten in allen Haltungsarten unter Vermeidung von Nachtschicht, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten unter Zugluft sowie mit Unfallgefahr verbundenen Arbeiten eingeschätzt.
Am 06. Februar 2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte lehnte die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung unter Berücksichtigung des Reha-Entlassungsberichtes mit Bescheid vom 02. April 2009 ab. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 2010 zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben und sich zur Begründung auf ärztliche Berichte bzw. Bescheinigungen ihrer behandelnden Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie L vom 17. März 2010 sowie ihres behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. K vom 08. Juni 2010 bezogen.
Das SG hat zunächst Befundberichte des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dipl.-Med. K vom 05. Juli 2010 sowie des Dr. K vom 12. Juli 2010 eingeholt.
Anschließend hat es die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. L mit der Erstellung eines Gutachtens betraut. In ihrem am 25. Januar 2011 erstellen Gutachten ist sie zu dem Schluss gelangt, bei der Klägerin lägen folgende Gesundheitsstörungen vor:
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Mittelgradige depressive Episode |
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Diabetes mellitus Typ I |
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Arterieller Hypertonus |
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Hypothyreose. |
Unter Berücksichtigung dieser Gesundheitsstörungen könne die Klägerin täglich regelmäßig körperlich leichte sowie geistig einfache bis mittelschwere Arbeiten in allen Haltungsarten in geschlossenen Räumen sowie im Freien ohne besonderen Zeit- und Leistungsdruck sowie ohne Nachtschichteinsatz nur noch im Umfang von mehr als drei bis unter sechs Stunden verrichten. Die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit sei herabgesetzt, auch die Fähigkeit für Arbeiten im Publikumsverkehr könne eingeschränkt sein. Die Depression sei seit 2009 rückläufig. Es bestehe begründete Aussicht, dass die Leistungsminderung innerhalb von zwei Jahren ganz behoben werden könne durch psychotherapeutische und psychiatrische Maßnahmen.
Die Beklagte hat die Einschätzung des Leistungsvermögens durch die Sachverständige unter Bezugnahme auf eine sozialmedizinische Stellungnahme der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie S vom 16. Februar 2011 kritisiert.
Das SG hat des Weiteren den Facharzt für Orthopädie, Unfall- und Handchirurgie, Rheumatologie, physikalische Medizin Prof. Dr. S mit der Fertigung eines Gutachtens beauftragt. In seinem am 25. Mai 2011 fertig gestellten Gutachten ist dieser zur Feststellung folgender Gesundheitsstörungen auf seinem Fachgebiet gelangt:
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Fehlform des Achsorgans mit geringgradigen Nervenwurzelerscheinungen und Überlastungssyndrom der unteren Extremitäten bei erheblichem Übergewicht. |
Bei der Klägerin sei keine Erkrankung auf rheumatologischem Fachgebiet zu diagnostizieren, auch kein Weichteilrheuma. Aus orthopädischer Sicht bestehe d...