Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. Pflegequalität. Streit über die Ergebnisse der Qualitätsprüfung. Pflege-Transparenzvereinbarung ambulant (PTVA). Transparenzbericht. einstweiliger Rechtsschutz gegen die Veröffentlichung. Anforderungen im Hinblick auf die Richtigkeit öffentlicher Bewertungen und Daten
Orientierungssatz
1. Zum Anspruch des Betreibers eines Pflegedienstes auf vorläufige Unterlassung der Veröffentlichung eines Transparenzberichtes nach § 115 Abs 1a SGB 11 im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes.
2. Für die Zulässigkeit öffentlicher Bewertungen ist es nicht ausreichend, dass keine groben Fehler oder Bewertungsmängel bzw keine schwerwiegenden Verstöße gegen die rechtlichen Vorgaben vorliegen (entgegen LSG Chemnitz vom 24.2.2010 - L 1 P 1/10 B ER = PKR 2010, 25 und LSG Essen vom 15.11.2010 - L 10 P 76/10 B ER).
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 1. November 2010 geändert.
Die Antragsgegner werden im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Veröffentlichung der Ergebnisse der die Antragstellerin betreffenden Qualitätsprüfung vom 7. Juni 2010 im Internet unter www.pflegelotse.de unverzüglich zu beseitigen.
Den Antragsgegnern wird vorläufig untersagt, die Ergebnisse der die Antragstellerin betreffenden Qualitätsprüfung vom 7. Juni 2010 bis zum Ablauf des 15. November 2011, längstens bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens über die bei dem Sozialgericht Berlin am 7. September 2010 erhobene Klage weiter zu veröffentlichen.
Im Übrigen wird der Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens vor dem Sozialgericht Berlin haben die Antragstellerin und die Antragsgegner als Gesamtschuldner je zur Hälfte zu tragen.
Die Kosten des Verfahrens vor dem Landessozialgericht Berlin haben die Antragstellerin zu 1/3 und die Antragsgegner als Gesamtschuldner zu 2/3 zu tragen.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin auf 10.000 € und für das Verfahren vor dem Landessozialgericht Berlin auf 15.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes über die Veröffentlichung eines Transparenzberichtes nach § 115 Abs. 1a Sozialgesetzbuch/Elftes Buch (SGB XI).
Die Antragstellerin betreibt einen Pflegedienst. Im Juni 2010 erbrachte sie ambulante Pflegeleistungen für 45 Personen, hierunter für 13 Pflegebedürftige ausschließlich nach dem SGB XI sowie für 30 Pflegebedürftige nach dem SGB XI und dem Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch.
Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) führte bei der Antragstellerin am 7. Juni 2010 eine Qualitätsprüfung durch. Es wurden dabei die Leistungen für 5 Pflegekunden überprüft. Am 24. Juni 2010 wurde der Antragstellerin im Auftrag der Antragsgegner der auf Grundlage des Prüfberichts des MDK erstellte Transparenzbericht im Entwurf übermittelt. Dabei erhielt die Antragstellerin folgende Bewertungen:
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Qualitätsbereich 1: |
Pflegerische Leistungen |
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Note 2,0 gut |
Qualitätsbereich 2: |
Ärztlich verordnete pflegerische Leistungen |
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Note 1,4 sehr gut |
Qualitätsbereich 3: |
Dienstleistung und Organisation |
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Note 1,1 sehr gut |
Gesamtergebnis: |
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Note 1,6 gut |
Befragung der Bewohner: |
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Note 1,0 sehr gut. |
Mit dem an die Antragsgegner gerichteten Schreiben vom 22. Juli 2010 erhob die Antragstellerin gegen verschiedene Prüfungskriterien Einwände und forderte die Antragsgegner auf, von der Veröffentlichung des Transparenzberichts bis zu dessen Korrektur auf der Grundlage des abzuändernden Prüfberichts anzusehen. Dies lehnten die Antragsgegner unter dem 27. August 2010 mit der Begründung ab, die Prüfung und die in diesem Zusammenhang vorgenommene Sachverhaltsbewertung seien sachgemäß. Der Antragstellerin wurde bis zum 6. September 2010 die Möglichkeit einer - zu veröffentlichenden - Kommentierung eingeräumt.
Am 7. September 2010 hat die Antragstellerin gegen die Antragsgegner Klage mit dem Hauptantrag erhoben, die Bewertung der Transparenzkriterien T 2, T 9, T 13, T 17 und T 19 auf die Note 1,0 zu ändern und dementsprechend die Zusammenfassung der Qualitätsbereiche 1 und 2 zu korrigieren.
Gleichzeitig hat die Antragstellerin das Sozialgericht Berlin um vorläufigen Rechtsschutz gegen die bevorstehende Veröffentlichung des Transparenzberichts und ihre Verpflichtung, ihn in ihrer Pflegeeinrichtung auszuhängen, ersucht. Das Sozialgericht hat die Anträge durch Beschluss vom 1. November 2010 mit der Begründung abgelehnt, ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht worden. Die Gesamtnote der Klägerin liege mit 1,6 deutlich über der für die Pflegeeinrichtungen im Land Berlin im Oktober 2010 ermittelten Durchschnittsnote von 2,3. Ein Wettbewerbsnachteil, der einer sofortigen Korrektur bedürfte, sei deshalb nicht zu befürchten.
Mit ihrer Beschwerde gegen diese Entscheidung bringt die Antragstellerin vor, die von ihr angegriffenen schlechten Einzelnoten der Transparenzkriterien, die für jedem im Internet einzusehen seien, seien sehr wohl gee...