Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Kostenrecht. Pauschgebührenpflicht. Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Überleitung von Ansprüchen nach § 33 SGB II. Auslegung einer Prozesserklärung. Kostenscheidung nach § 197a SGG. Kostentragung bei Anerkenntnis
Orientierungssatz
1. Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende unterliegen für bis zum 31.07.2006 abgeschlossene gerichtliche Verfahren der Pauschgebührenpflicht nach § 184 SGG. Die Befreiung von der Pauschgebührenpflicht gem. § 64 Abs. 3 S. 2 SGB X (idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006, BGBl I S. 1706) gilt erst für nach dem 31.07.2006 abgeschlossene Gerichtsverfahren (Vergleiche LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 08. Januar 2008 - L 5 SF 3/06).
2. Bei der Auslegung einer Prozesserklärung ist (auch im Falle der Vertretung durch einen Rechtsanwalt) der wirkliche Wille des Prozessführenden maßgebend, soweit er sich aus Umständen ergibt, die für das Gericht und die anderen Beteiligten erkennbar sind (Vergleiche BSG, Urteil vom 22.03.1988 - 8/5a RKn 11/87 = SozR 2200 § 205 Nr 65). So kann sich eine als "Klagerücknahme" bezeichnete Erklärung als Annahme eines Anerkenntnisses darstellen.
3. Erledigt sich ein Beschwerdeverfahren in der Hauptsache dadurch, dass die Behörde den Anspruch anerkennt und wird dieses Anerkenntnis angenommen, richtet sich in einem § 197a Abs. 1 S. 1 Halbs. 1 SGG unterfallenden Verfahren die Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO (Vergleiche LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 06. April 2005 - L 13 AL 220/05 AK-A).
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 7. August 2007 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Gründe
Die nach § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung statthafte und nach § 173 SGG im Übrigen zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Vorliegend ist nach Erledigung der vor dem Sozialgericht (SG) Berlin anhängig gewesenen Hauptsache über die Kosten zu entscheiden. Zutreffend ist das SG in dem angefochtenen Beschluss vom 7. August 2007 davon ausgegangen, dass rechtlicher Maßstab für diese Kostenentscheidung § 197a SGG ist. Die Klägerin, die sich als getrennt lebende Ehefrau eines Empfängers von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gegen einen Überleitungsbescheid nach § 33 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) gewandt hatte, gehört selbst nicht zu dem in § 183 SGG genannten Personenkreis, für den das sozialgerichtliche Verfahren kostenfrei ist.
Es kann offen bleiben, ob mit Einführung der Kostenprivilegierung für den beklagten Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende zum 1. August 2006 die gesetzliche Regelung in § 64 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X, idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I S 1706) in Verbindung mit § 197a Abs. 1 und 3 SGG so verstanden werden muss, dass eine einheitliche Kostenregelung und damit Kostenfreiheit auch für einen Dritten in den Verfahren gelten soll (vgl. zum Grundsatz der einheitlichen Kostenregelung unter Geltung des SGG etwa BSG, Beschluss vom 29. Mai 2006 - B 2 U 391/05 B; SozR 4-1500 § 193 Nr. 3). Solche Verfahren (mit Ausnahme der Kostenerstattungsstreitigkeiten) könnten wie bereits nach § 188 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) umfassend gerichtskostenfrei sein, so dass § 197a Abs. 1 SGG nicht nur für den Träger, sondern auch für den Gegner keine Anwendung fände. Die Befreiung des Beklagten von der Pauschgebührenpflicht gemäß § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X gilt jedenfalls erst für nach dem 31. Juli 2006 abgeschlossene Gerichtsverfahren und findet auf das vorliegende, am 13. Juni 2006 in der Hauptsache erledigte Gerichtsverfahren keine Anwendung (im Einzelnen dazu LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 8. Januar 2008 - L 5 SF 3/06; zitiert nach juris).
Entgegen der Auffassung des SG hat sich der Rechtsstreit nicht durch Klagerücknahme erledigt, so dass sich die Kostenfolge nicht aus der zwingenden Regelung des § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 2 VwGO ergibt. Bei der gebotenen Auslegung einer Prozesserklärung (vgl. § 123 SGG) ist (auch im Falle der Vertretung durch einen Rechtsanwalt) der wirkliche Wille des Prozessführenden maßgebend, soweit er sich aus Umständen ergibt, die für das Gericht und die anderen Beteiligten erkennbar sind (ständige Rechtssprechung seit BSGE 63, 93, 94 = SozR 2200 § 205 Nr. 65). Insbesondere eine als “Klagerücknahme„ bezeichnete Erklärung kann daher im Zusammenhang mit vorangegangenen Erklärungen des Beklagten nicht als Aufgabe einer zuvor vertretenen Rechtsposition (mithin als Rücknahme der Klage) zu verstehen sein, sondern sich als Annahme eines Anerkenntnisses darstellen (vgl. etwa BSG SozR 1500 § 101 Nr. 6). So liegt es hier. Der unzweifelhafte Wille der Klägerin zur Erklärung der Annahme des Anerkenntnisses vom 23. Mai 2006 ergibt sich nicht nur aus der unmittelbaren Bezugnahme auf dieses Anerkenntnis im ...