Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Unzulässigkeit der Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs: § 172 Abs 2 SGG als lex specialis gegenüber § 60 Abs 1 SGG iVm § 46 Abs 2 ZPO
Leitsatz (amtlich)
Die Beschwerde gegen einen Beschluss des Sozialgerichts, mit dem ein Antrag auf Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit zurückgewiesen wurde, ist gem § 172 Abs 2 SGG nicht statthaft.
Tenor
Die Beschwerde des Klägers wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde des Klägers (bzw. Beschwerdeführers) gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 4. September 2012 ist unzulässig.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Sozialgericht Berlin sein Gesuch, den Richter am Sozialgericht wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, zurückgewiesen. Das Sozialgericht hat in dem Beschluss zutreffend darauf hingewiesen, dass diese Entscheidung unanfechtbar ist.
Durch das Vierte Gesetz zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 3057) wurde § 60 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) dahingehend geändert, dass seit dem 1. Januar 2012 für die Entscheidung über die Ausschließung und Ablehnung eines Richters des Sozialgerichts das Gericht zuständig ist, welchem der Abgelehnte angehört (§ 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 45 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO). Nach § 172 Abs. 2 SGG können Entscheidungen über die Ablehnung von Gerichtspersonen nicht mit der Beschwerde angefochten werden. § 172 Abs. 2 SGG verdrängt insoweit § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 46 Abs. 2 ZPO, da § 172 Abs. 2 SGG die für das sozialgerichtliche Verfahren und insbesondere die Beschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren die speziellere Vorschrift ist. Danach ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 2. Juli 2012 - L 13 AS 2584/12 B -; Bay. LSG, Beschluss vom 2. Juli 2012 - L 9 SF 148/12 AB -; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28. Juni 2012 - L 5 AS 136/12 B - jeweils Juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. September 2012 - L 27 SF 198/12 B AB -; vgl. ferner Bay. VGH, Beschluss vom 12. Juli 2004 - 3 C 04.1754 - Juris Rn. 3 ff. zu den gleichlautenden Regelungen in § 146 Abs. 2 VwGO bzw. § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 41 ff. ZPO).
Der gegenteiligen Auffassung des LSG Nordrhein-Westfalen (Beschlüsse vom 29. Mai 2012 - L 11 KR 206/12 B u.a. - Juris Rn. 7 ff. und vom 7. Mai 2012 - L 11 SO 108/12 B - Juris Rn. 3 ff.), das von einer Statthaftigkeit der Beschwerde gegen eine Entscheidung über die Ablehnung von Gerichtspersonen ausgeht, ist dagegen nicht zu folgen. Sie widerspricht dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes. Im Übrigen hat der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 60 Abs. 1 SGG den schon bisher bestehenden spezialgesetzlichen Ausschluss einer Beschwerde ausdrücklich mit der Gesetzesänderung zum 1. Januar 2012 beibehalten wollen (vgl. BR-Drs. 315/11 vom 27. Mai 2011, S. 40).
Der Beschwerdeausschluss begegnet schließlich - anders als der Kläger meint - keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Grundgesetz garantiert keinen Instanzenzug (vgl. BVerfG, Plenumsbeschluss vom 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 - Juris, stRspr). Dem Gesetzgeber ist es zudem nicht verwehrt, ein bisher statthaftes Rechtsmittel abzuschaffen oder den Zugang zu einem Rechtsmittel von neuen einschränkenden Voraussetzungen abhängig zu machen (BVerfG, a.a.O. sowie Nichtannahmebeschluss vom 28. September 2009 - 1 BvR 1943/09 - Juris Rn. 3). Insofern wird darauf hingewiesen, dass auch nach der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Gesetzeslage eine Beschwerde gegen Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen nicht zulässig war.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Fundstellen