Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. vorläufige Versorgung mit einer extrakorporalen Lipid-Apherese-Behandlung

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Anspruch eines Versicherten auf Bewilligung von Lp(a)-Apherese im vorläufigen Rechtsschutzverfahren.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 29. Januar 2015 geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, den Antragsteller vom 16. Juni 2015 bis zum 31. Dezember 2015 mit extrakorporalen Lipid-Apherese-Behandlungen vorläufig zu versorgen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten; die andere Hälfte trägt der Antragsteller selbst.

 

Gründe

Die nach §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Soweit der Antragsteller die Versorgung mit extrakorporalen Lipid-Apherese-Behandlungen für einen Zeitraum begehrt, der vor der Entscheidung des Senats liegt, fehlt ihm ein Anordnungsgrund i.S.d. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG; ein eiliges Regelungsbedürfnis ist insoweit nicht zu erkennen.

Für den Zeitraum vom 16. Juni 2015 bis zum Ende des Jahres 2015 ist die Antragsgegnerin dagegen verpflichtet, den Antragsteller vorläufig mit der umstrittenen Lipid-Apherese zu versorgen. Dies ergibt sich aus der vom Senat im vorliegenden Verfahren durchgeführten Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten.

1.) Der Antragsteller hat allerdings bisher keinen Anordnungsanspruch mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 und 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung glaubhaft gemacht.

a) Er hat gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) Anspruch auf die begehrte ärztliche Behandlung als neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethode nur im Rahmen der Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) nach § 135 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 1 Abs. 1 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung [Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung - Method-RL - in der Fassung vom 17. Januar 2006 veröffentlicht im Bundesanzeiger 2006 Nr. 48 (S. 1 523) in Kraft getreten am 1. April 2006, zuletzt geändert am 19. Februar 2015, veröffentlicht im Bundesanzeiger (BAnz AT 15.05.2015 B7), in Kraft getreten am 16. Mai 2015]. Nach § 1 Abs. 1 und 2 der Anlage I zur Method-RL regelt diese Richtlinie sowohl die Voraussetzungen zur Durchführung und Abrechnung von Apheresen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung als auch die Überprüfung und Genehmigung der Behandlungsindikation im Einzelfall. Für die in § 3 der Anlage I zur Method-RL genannten Krankheitsbilder stehen in der vertragsärztlichen Versorgung i.d.R. hochwirksame medikamentöse Standard-Therapien zur Verfügung, sodass Apheresen nur in Ausnahmefällen als “ultima ratio„ bei therapierefraktären Verläufen eingesetzt werden sollen.

b) Nach § 3 Abs. 2 Anlage I zur Method-RL können LDL-Apheresen bei isolierter Lp(a)-Erhöhung nur durchgeführt werden bei Patienten mit isolierter Lp(a)-Erhöhung über 60 mg/dl und LDL-Cholesterin im Normbereich sowie gleichzeitig klinisch und durch bildgebende Verfahren dokumentierter progredienter kardiovaskulärer Erkrankung (koronare Herzerkrankung, periphere arterielle Verschlusskrankheit oder zerebrovaskuläre Erkrankungen).

Diese Voraussetzungen sind bisher nicht glaubhaft gemacht. Zwar leidet der Antragsteller an einer isolierten Lp(a)-Erhöhung, weil sich nach der Mitteilung seines behandelnden Arztes Dr. R vom Dialyse-Zentrum P vom 21. Juni 2014 die LDL-Cholesterin-Werte mit 93 mg/dl im Normbereich befinden, der Lp(a)-Wert aber mit 1,26 g/l den Grenzwert von 60 mg/dl deutlich überschreitet. Eine medikamentöse Therapie mit CSE-Hemmern werde vom Antragsteller wegen Muskelschmerzen und erhöhten CK-Werten außer einer niedrig dosierten Behandlung mit Inegy10/20 mg nicht toleriert, die aber zur erforderlichen Absenkung des Lp(a)-Wertes nicht ausreichend sei (Stellungnahme Dr. R vom 04. Juni 2014; Stellungnahme der Kardiologischen Gemeinschaftspraxis am P S Drs. A u.a. vom 07. April 2014). Außerdem bestehe bei ihm eine periphere arterielle Verschlusskrankheit, weil die Aorta carotis links nach einer Stenose mit einer Patchplastik im November 2008 und die Aorta carotis rechts mit einem Stent habe versorgt werden müssen. Die intima media sei mit gemessenen 1,3 mm rechts und mit 1,1 mm links verdickt und am Abgang der Gefäße seien beidseits Plaques feststellbar. Schließlich bestehe ein Zustand nach einem mittelgradigen kombinierten Aortenklappenvitium mit mechanischem Aortenklappenersatz, eine geringgradige Mitralinsuffizienz sowie ein arterieller Hypertonus (Stellungnahme Dr. von Ameln u.a., a.a.O.).

Diese ärztlichen Feststellungen belegen zwar das Bestehen der in § 3 Abs. 2 Anlage ...

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