Entscheidungsstichwort (Thema)
Absenkung des Arbeitslosengeld II auf Leistungen für Unterkunft bei jungem Erwachsenen. Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe. kein Konkurrenzverhältnis der Vorschriften. fehlende ergänzende Sachleistungen. Ermessensreduzierung. Anspruch auf Gewährleistung des physischen Existenzminimums. verfassungskonforme Auslegung
Orientierungssatz
1. Die Anwendung des § 31 Abs 4 Nr 3 Buchst b SGB 2 wird nicht durch die vermeintlich speziellere Regelung des § 31 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst c SGB 2 gesperrt. § 31 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst c SGB 2 erfasst nicht den Fall, dass während des Leistungsbezugs eine Beschäftigung unter Bedingungen aufgegeben wird, die eine verhaltensbedingte Arbeitgeberkündigung rechtfertigen würde. § 31 Abs 1 Nr 1 Buchst c SGB 2 findet in allen Fällen der vorsätzlichen Nichtaufnahme einer angebotenen Arbeit bzw deren Abbruch nach zunächst erfolgter Aufnahme Anwendung, weil nur dann ein Weigern iS des § 31 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst c SGB 2 zu bejahen ist.
2. Der auf Rechtsfolgenseite des § 31 Abs 3 S 6 SGB 2 dem Grundsicherungsträger eingeräumte Ermessensspielraum verdichtet sich in den Fällen, in denen die Regelleistung auf Null gekürzt wird, regelhaft derart, dass der Träger nur dann rechtmäßig handelt, wenn er die anstelle der Geldleistung vorgesehenen ergänzenden Sachleistungen oder geldwerten Leistungen bewilligt und diese Entscheidung mit der Sanktionsentscheidung verbindet. In Abgrenzung zum soziokulturellen Existenzminimum gehören zum zu sichernden physischen Existenzminimum neben Obdach und ausreichender medizinischer Versorgung, durch die Weiterzahlung der Leistung für Unterkunft und Heizung, vor allen Dingen auch ausreichende Nahrung und Kleidung. Die Gewährung der Leistungen nach § 31 Abs 3 S 6 SGB 2 bedarf insoweit auch keines erneuten Antrags.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 24. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat auch die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet, mit der sich die Antragsgegnerin gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss wendet, mit dem das Sozialgericht (SG) Berlin die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 24. September 2008 der 19 geborenen Antragstellerin gegen den (Sanktions-)Bescheid der Antragsgegnerin vom 28. August 2008 angeordnet hat.
Da das Rechtsschutzziel der alleinstehenden und allein wohnenden Antragstellerin darin besteht, auch für die Zeit vom 01. Oktober 2008 bis zum 31. Dezember 2008 Arbeitslosengeld (Alg) II in der ihr ursprünglich mit Bescheid 23. Juli 2008 bewilligten Höhe von 617,13 EUR monatlich (Regelleistung 351,00 EUR; Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung ≪KdU≫ von 266,13 EUR) zu beziehen, hat das SG ihr Begehren zu Recht gemäß § 86b Abs 1 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 24. September 2008 (Schreiben vom 20. September 2008) gegen den Bescheid vom 28. August 2008 gewürdigt, weil ihm nicht schon kraft Gesetzes diese Wirkung zukommt (§ 39 Nr 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB II≫ iVm § 86a Abs 2 Nr 4 SGG) und die Möglichkeit einstweiligen Rechtsschutz über den Erlass einer Anordnung iS von § 86b Abs 2 Satz 2 SGG zu suchen, gegenüber der Anordnung der aufschiebenden Wirkung nachrangig ist (§ 86b Abs 2 Satz 1 SGG). Denn mit dem Bescheid vom 28. August 2008 hat die Antragsgegnerin den der Antragstellerin zuvor zuerkannten Anspruch “auf die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung„ für den bezeichneten streitigen Zeitraum beschränkt und den Bewilligungsbescheid vom 23. Juli 2008 “insoweit„ ab dem 01. Oktober 2008 unter Berufung auf § 48 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) iVm § 31 Abs 4 Nr 3b SGB II aufgehoben, weil die Antragstellerin den mit der B T GmbH (im Folgenden GmbH) geschlossenen Arbeitsvertrag wegen des Vorwurfs des Diebstahls fristlos zum 26. Juni 2008 gekündigt habe.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs (§ 86b Abs. 1 Satz 1 Nr 2 SGG) gegen den (Sanktions-)Bescheid vom 28. August 2008 ist begründet. Die aufschiebende Wirkung dauert bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit des Bescheides fort (Schoch in Schoch/Schmidt-Assmann/Pietzner, VwGO, Stand: September 2004, RdNr 363 zu § 80 unter Hinweis auf Bundesverwaltungsgericht ≪BVerwG≫ E 78, 198, 210). Voraussetzung für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht ist, dass das private Interesse des Anfechtenden, den Vollzug des angefochtenen Bescheides bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen (privates Aussetzungsinteresse), gegenüber dem öffentlichen Interesse an dessen Sofortvollzug (öffentliches Vollzugsinteresse) überwiegt. Dies ist der Fall, da hier der in Rede stehende Bescheid rechtswidrig ist und am Vollzug eines rechtswidrigen Bescheides kein öffentliches Interesse besteht.
Für die im Rahmen der Interessenabwägung zu prüfende Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs ist wie in der Hauptsache grunds...