Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Ausschreibung selektiver Lieferverträge zwischen einzelnen Apotheken und einer Krankenkasse. Beschwerdebefugnis. sozialrechtliche Wertentscheidung. öffentlicher Auftraggeber. normaler Versorgungsweg. Aufschlüsselung der Verordnungsdaten in Ausschreibung. Diskriminierungsverbot. Beschränkung von Bewerbungen. Stornierungsregelung. nicht ordnungsgemäße Abrechnung. Verstoß gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerb. Beschreibung des Angebotsvolumens. Krankenkasse

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Vergabeverfahren kann eine Apotheke nicht rügen, dass sie einen Anspruch auf Beibehaltung des Vergütungssystems nach der Hilfstaxe habe, welches ihr eine Bezahlung ihrer Leistungen bei Zubereitungen unabhängig von der Preisentwicklung der Medikamente gewährleistet.

2. Auch wenn einer Rahmenausschreibung der Ausschreibende zu Unrecht von einer Exklusivität ausgeht, ist das Angebotsvolumen dennoch so genau wie möglich iS des § 3a Nr 4 Abs 1 S 2 VOLA Ausgabe 2006 (juris: VOLA2) beschrieben, wenn eine faktische Exklusivität prognostiziert werden kann.

 

Orientierungssatz

1. Im Rahmen der §§ 97 Abs 7, 107 Abs 2 GWB können keine sozialrechtlichen Wertentscheidungen angemahnt werden (vgl LSG Essen vom 20.1.2009 -L 21 KR 1/08 SFB).

2. Bei einer gesetzlichen Krankenkasse handelt es sich um einen öffentlichen Auftraggeber iS des § 98 Nr 2 GWB.

3. Ein Verstoß gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerb liegt vor, wenn an der Ausschreibung ein Bieter teilnimmt, dem nach dem gewöhnlichen Verlauf (ganz oder teilweise) das Angebot oder zumindest die Angebotsgrundlagen eines Mitbewerbers um den Zuschlag bekannt sind (vgl OLG Düsseldorf vom 13.9.2004 -VI-W 24/04 ≪Kart≫).

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 8. April 2010 in der Fassung des Beschlusses vom 12. April 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens nach § 118 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beschwerdegegnerin.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Beschwerdegegnerin war notwendig.

 

Gründe

Die Beschwerdegegnerin hat ihren Sitz in Potsdam. Sie schrieb im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 19. Januar 2010 den Abschluss von Verträgen gemäß § 129 Abs. 5 Satz 3 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) (Rahmenvereinbarung mit einem einzigen Wirtschaftsteilnehmer) zur Versorgung mit in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten im Offenen Verfahren europaweit aus.

Sie hatte den AOK-Bundesverband mit der Durchführung der Ausschreibung beauftragt. Der streitige Auftrag betrifft die Versorgung auf dem Gebiet des Landes Berlin und ist in 13 Gebietslose, aufgeteilt nach Postleitzahlen, unterteilt. Die Gebietslose weichen im räumlichen Zuschnitt von der Aufteilung der Verwaltungsbezirke in Berlin ab.

Die Bekanntmachung bestimmte zunächst, dass Angebote “nur für ein Los" eingereicht werden sollten. Die Rahmenvereinbarungen sollen auf grundsätzlich ein Jahr abgeschlossen werden. Zuschlagskriterium ist nach Ziffer IV.2.1 der niedrigste Preis. Varianten/Alternativangebote waren nicht zugelassen. Als Schlusstermin für den Eingang der Angebote war zunächst der 2. März 2010, 12.00 Uhr bestimmt.

Bestandteil der an die Interessenten versandten Verdingungsunterlagen war als Anlage 1 der Entwurf des Vertrages gemäß § 129 Abs. 5 S. 3 SGB V über die Versorgung mit in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten (Rahmenvertrag). Als Anhang 1 zu diesem Rahmenvertrag übersandte die Beschwerdegegnerin ein Produktblatt, das Angaben zu den Abgabevolumina je Gebietslos -jeweils in mg pro Wirkstoff - abbildet. Je Wirkstoff soll durch die Bieter ein Preis pro Milligramm angeboten werden. In Ziffer 10 der Bedingungen für die Auftragsvergabe wies die Beschwerdegegnerin darauf hin, dass sie Angaben zu dem voraussichtlichen Auftragsvolumen nur auf der Basis von Erfahrungswerten und Analysen aus der Vergangenheit machen könne. Künftige Mengen der für die Versicherten herzustellenden parenteralen Lösungen würden insbesondere vom Gesundheitszustand der AOK-Versicherten, dem Verordnungsverhalten der Ärzte sowie der vom Gesetzgeber vorgegebenen Struktur der ambulanten Versorgung abhängen. Auch die künftige Struktur und Anzahl der onkologischen Praxen bzw. der ambulant behandelnden Ärzte in dem jeweiligen Gebietslos könne Einfluss auf die Mengen haben. Insbesondere der Zu- und/oder Wegzug von Ärzten und/oder Praxen könne solche Schwankungen bewirken. Die im Produktblatt angegebenen Mengen seien auf das erste Halbjahr 2009 bezogen und stellten das gesamte von den Ärzten verordnete Volumen in diesem Zeitraum dar, das für Versicherte der AOK Berlin-Brandenburg in Be...

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